Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

niht gehe, ſo würde eine ſolche Abſicht von der Pforte ſelbſt auf das Schlagendſte unterſtützt worden ſein.

Während die Fuſurrection mit dem beginnen-

den Frühjahr ſi< zur Führung neuer Schläge aufſtre>te, verharrte die türkiſche Regierung in ihrer gänzlichen Gefühlloſigkeit gegen alle Zumuthung, mit den Verheißungen Ernſt zu machen.

ZLiubobratitfſ< und die Amazone Markus geſangen.

Plöblich erſchien wieder Ljubobratit\< auf dem Kampfplate, und zwar mit ſeiner ſelbſt angeworbenen Truppe von dreihundert Mann, zum großen Theile aus italieniſhen Freiwilligen beſtehend. Die criſtlihe Bevölkerung des rechten Narenta-Ufers kam dem Führer mit großem Enthuſiasmus entgegen. Er ſuchte mit ſeiner Schaar ein ganz neues, ziemli< vortheilhaftes Terrain zu behaupten. Vom linken Narenta-Ufer \{loß ſich der katholiſhe PfarrerMuſſit\< aus Rawno an. Fn Popowopolje wu<s ‘ſofort na< der Veberſchreitung der Narenta die Schaar des Ljubobratitſ< auf ſiebenhundert Mann an. Von dort zog er nah Ljubuska. Die ganze ſtreitbare Macht der Jnſurgenten beſtand anfangs beim Beginne des Frühjahrs in der Herzegowina aus niht viel mehr als beiläufig 1800 Mann. Ljubobratitſ< verließ nunmehr das NarentaUfer und zog nordweſtlih. Unter ſeiner Schaar befand ſi< eine Amazone, welche ſehr viel von ſih reden machte, ja von Enthuſiaſten mit einer Gattung „ZFungfrau von Orleans" verglichen wurde.

Fräulein Johanna Markus, ſo hieß dieſe Amazone, war, auf einem türkiſh geſattelten dalmatiniſchen Klepper, wie ein Mann rittlings zu Pferde, über die Grenzpäſſe bei Raguſa in das aufſtändiſhe Land gekommen. Ein \{<ön gearbeiteter, mit Perlmutter eingelegter Revolver ſtak in ihrem jungfräulihen Gürtel und ein handſcharähnliher Säbel mit ſilbernem Griff baumelte an goldener Kuppel und hob ſi< {arf von ihrem dunklen Anzuge ab; reihes blondes Haar quoll unter ihrem Barett hervor. Sie trägt ein Männerfoſtüme: Soldatenhoſe von blauer Farbe, einen ſ{<warzen Schnürro> und eine Conföderatka, hohe Stiefel mit Sporen.

Als ſie zum erſtenmal eines Trupps von Jhnſurgenten anſihtig geworden war, ſtreute ſie mit vollen Händen Geld unter ſie mit dem Rufe aus: „Hier, Jhr Helden! Nehmt dies und verjagt die Türken — i< werde Euh helfen, ſo weit mein Arm reiht!“ — Dies Geldausſtreuen bei der erſten Ankunft hatte übrigens die ganz natürlihe Wirkung, daß der Ruf, der ſi< von dieſer Dame verbreitete, beſſer war als ſie ſelbſt (în pecuniärer Beziehung nämlich), denn die höchſt naiven und leiht erregbaren Gemüther der Frei-

heitsfämpfer ſtellten fi< die Dame, von deren Auftreten ſie hörten, als eine Art gefüllten Geldſa> vor, in den man nur hineinzugreifen brauchte, um zu finden, was ein inſurgentlihes Herz begehrte. Derlei ausgedehnte Erwartungen mußten aber nothwendig deſto mehr enttäuſht werden, je länger die Amazone ſi< in der Herzegowina aufhielt; denn wenn man Geld wegwirft, ſo hat es auh bald ein Ende.

Die emancipirte Dame, geboren auf der Jnſel Fava, alſo holländiſche Unterthanin, hatte ſi<h ſhon vor mehreren Monaten der von Ljubobratit\< geführten Schaax angeſchloſſen, war auh bei ſeinem Wiedererſcheinen wieder aufgetaucht und hatte mit ihm au die Narenta überſchritten. Jhrer Romantik wäre zwar in Metkowiß bald ein höchſt proſaiſhes Ende bereitet worden. Jm Anfange des Februar hätte ſie nämlih der von der Statthalterei in Zara eingetroffenen Weiſung zufolge mitſammt Ljubobratitſ< und deſſen Adjutanten und Generalſtäbler Petrowitſ< verhaftet werden ſollen; durch ein glü>lihes Ohngefähr jedo< entgingen ſowohl die „Feanne d'Arc“ dex herzegowiniſchen Funſurrection, als au< der Wojwode mit ſeinem Adjutanten, dem ihnen und der Fnſurgirung des re<hten Narenta-Ufers zugedachten Schlage.

Seit jener Zeit hatte Fräulein Markus die Schickſale der JFnſurgenten unverdroſſen getheilt und an allen Kämpfen theilgenommen. Sie drang glei<h dem Muthigſten vor. So war es am 6. März, als die neu organiſirte Truppe des Ljubobratiſh die Feuertaufe erhielt, wo der erſte, an Kräften doppelt überlegene Angriff der Türken erfolgte, welcher abgeſchlagen und in eine gänzliche Niederlage derſelben verwandelt wurde — es geſhah dies am vierten Tage nah dem Ueberſchreiten der Narenta, in der Nähe von Wojnice und Siporace — da rüdt>te Jeanne Markus an der -Spiße der Mitte vor, zum Kampfe bereit; und alle kampfgeſtählten Männer ſtaunten über den Muth und die Kaltblütigkeit, mit welchen dieſes Mädchen dur< das Beiſpiel ihrer perſönlihen Erſcheinung die Juſurgenten zu Heldenthaten zu entflammen ſtrebte.

Vom Morgen bis ungefähr fünf Uhr dauerte das Feuergefe<t um die beiden Dörfer, in deſſen dichteſter Mitte ſich Fräulein Markus befand.