Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Dalmatien, Baron Rodi, der auf den Fürſten Nikolaus einen notoriſ< weitgehenden Einfluß übte. Nach den blutigen Vorfällen in Podgoriza begab ſi< Freiherr v. Rodi nach Cettinje und blieb mehrere Tage dort, wiederholt mit dem Fürſten conferirend und denſelben ſogar auf jenen Ausflügen begleitend, welche dieſer in die Schwarzen Berge unternahm, um ſeine Leute zu beruhi-

gen. Bemerkenswerth war die Thatſache, daß der ruſſiſ<he Generalconſul von Raguſa, welcher gleichzeitig als diplomatiſcher Agent beim Fürſten von Montenegro beglaubigt war, von ſeiner Regierung beauftragt wurde, Cettinje ſolange niht zu beſuchen, als \ſih Freiherr v. Rodich dort aufhalten würde.

Neue Aera in Herbien.,

Am 21. November 1874 eröffnete der Fürſt von Serbien die Skupſchtina mit einer Thronrede, in der er des ehrenden Empfanges, der ihm in Conſtantinopel geworden, erwähnte, dann ſeines Beſuches bei Fürſt Karl von Rumänien, der beſonderes Gewicht auf die Freundſchaft Serbiens lege, und zuleßt der Zuſammenkunft mit den Herrſchern und Staatsmännern der Großmächte gedachte, aus denen er vielfahen Nuten für Serbien erhoffe. Es fehlte in der Rede feines der beliebten Schlagworte und keine dex pomphaften Phraſen von Civiliſation und Fortſchritt, mit denen derlei Reden gewöhnli<h geſ{<müd>t ſind.

Die hiſtoriſ<he Entwielung des ſerbiſchen Volkes iſt dur die Schlaht auf dem Amſelfelde plößlih unterbrochen worden, der Adel, welcher ein Attribut jedes normalen Zuſtandes im Völkerleben iſt und ſi< dahèr au< unter dem großen Duszan zu bilden begann, wurde theils vom türkiſchen Schwerte hinweggerafft, theils zum Vebertritt zum Jslam gezwungen. Als daher nah fünfhundertjähriger Unterdrü>kung der Theil des ſerbiſhen Volkes, welcher das heutige Fürſtenthum bewohnt, die Freiheit errang, fand er ſich in jenem idylliſchen Zuſtand, welcher den A nfängen jedes Volkes, niht aber einem hiſtoriſch und organiſch entwi>elten Volksleben entſpricht.

Ein Uebelſtand liegt in dem Mangel einer im wahren Sinne des Wortes legitimen Dynaſtie. Da nah 500 Jahren kein Sproße des alten Herrſchergeſhle<tes vorhanden war, hatten die Serben ohne Zweifel das Recht, ſich ihren Fürſten zu wählen. Wenn eine Claſſe dur< Namen und Beſiß hervorragender Familien beſtanden hätte, ſo würde die Wahl mit der Zeit eine legitime Dynaſtie begründet haben. Die unglü>ſelige Gleichheit der Maſſe brachte es aber mit ſi<, daß Jeder das gleiche Ret an den Thron zu haben glaubte, und daraus folgten dann die blutigen Umwälzungen — man könnte ſagen Palaſt-Revolutionen, wenn Topſchider mehr als eine Villa wäre — die vielleicht no< immer niht abgeſchloſſen ſind. Die weitere natürliche

Folge davon war, daß ſi< in Serbien niht ausſ<ließli< politiſhe, ſondern dy naſtiſ<e Parteien gegenüberſtehen. Auch die Oppoſition in der gegemvärtig tagenden Skupſchtina iſt eine dynaſtiſche, eine gegen das Haus Obren ow it \< gerichtete; denn obſ<hon man die Nachkommen des Czerny Georg durch richterlihes Urtheil unſchädlich zu machen verſucht hat, fehlt es ihnen doh niht an perſönlichen Anhängern; und wer mit dem regierenden Fürſten aus irgend einem Grunde unzufrieden iſt, {ließt ſi<h ihnen an. Das iſt ja die Schwäche der Herrſcher - von zweifelhafter Legitimität, daß ſich Jedermann berehtigt fühlt, immer wieder die Grundlagen ihrer Gewalt zu unterſuchen und in Frage zu ſtellen !

Was nun die Thronrede des Fürſten Milan betrifſt, ſo äußerte er ſi in derſelben über die Stellung Serbiens zu den Großmächten mit großer Reſerve. Der Fürſt umging mit beſonderer Borſicht die Beziehungen zu Rußland, welche wenigſtens früher als beſonders herzliche bezeihnet wurden. Er hob hervor, daß er in Conſtantinopel „der Gegenſtand auszeihnender Aufmerkſamkeit und eines ſ{mei<elhaften Empfanges von Seite Seiner Majeſtät des Sultans war“, berührte aber mit feinem Worte die ſeinerzeit ſo eifrig ventilirte Zwornik-Frage, welche damals niht die in Belgrad erwartete Löſung fand. Auch über die Beſprechungen in Bukareſt ſhwieg die Thronrede. Dagegen berührte der Fürſt die Zuſammenkunft „mit durchlautigſten Herrſchern, Staatsoberhäuptern und mehreren großmächtlihen Staatsmännern“, welhe ihm „mit eifriger Auszeichnung“ begegneten.

Die Nationalverſammlung mußte ſich mit dieſen ziemlich unbeſtimmten Andeutungen begnügen. Uehrigens vermied Fürſt Milan dur ſeine Methode, die auswärtige Politik im mündlichen Wege zu betreiben, die Fatalitäten von Noten-Fndiscretionen, und erſparte ſeinem Volke die Auslagen für Miniſter der auswärtigen Angelegenheiten, theuere Botſchafter, die nichts zu melden wiſſen, und Couriere. Wenn trobdem eine Vergrößerung des Ausgabenbudgets angekündigt wurde, ſo bewies dies eben