Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Czar den Waggon, ging auf den Prinzen Georg zu und reihte ihm die Hand; dann kam der Kaiſer auf den Prinzen zu, umarmte und füßte ihn wiederholt und herzlichſt. Nachdem Prinz Georg ſeine Suite den beiden Monarchen vorgeſtellt und der Czar den Baron Kotebue begrüßt hatte, wurde die Ehrencompagnie beſichtigt. Inzwiſchen war der Hofzug aus der Halle hinaus nah dem ſächſiſchen Theile des Bahnhofes gezogen worden. Die beiden Monarchen mit Prinz Georg begaben ſi< nun dahin, beſtiegen ohne der Suite wieder den Salonwagen, wo der Czar von ſeiner im Zuge befindlichen Küche ein Diner ſerviren ließ. Zu demſelben waren nur Statthalter Baron von Weber, FZM. Baron Philipp ovic, Fürſt Carlos Auersperg und von Kotebue zugezogen. Die Suiten nahmen im Warteſaale das Diner ein. Toaſte wurden nicht ausgebracht.

Um 3 Uhr 55 Minuten verließ der Kaiſer und die öſterreichiſhen Würdenträger, geleitet vom Czaren, wieder den Waggon. Kurze Zeit darauf verabſchiedeten ſi< die beiden Monarchen, umarmtea und füßten ſi dreimal, drüten ſih nochmals die Hände, und der Czar beſtieg den Zug, der unter den Klängen der ruſſiſhen Volkshymne davonfuhr. Um 4 Uhr 5 Minuten beſtieg der Kaiſer in ſihtlih fröhlicher Stimmung den öſter-

reichiſhen Hofzug und fuhr in der Richtung gegen |

Prag ab. Um 7 Uhr traf Kaiſer Franz Foſef am Bubentſcher Bahnhof einz; in ſeiner Begleitung befanden ſi der Landescommandirende FZM.

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Baron Philipp ovich, der Statthalter Baron v. Weber, Overſtlandmarſchall FürſtAuers perg. Zum Empfange erſchienen der Kammerherr des Kaiſers Ferdinand Graf Pergen, FZM. Baron Kol ler, der Prager Bürgermeiſter Hul le [<, der Bubentſcher Bürgermeiſter Schlecht, der Statthalter Vicepräſident Grüner, der Statthaltereirath Rott hy, der Regierungsrath For ſter. Der Bahnhof war feſtlich decorirt.

Damit war der bedeutungsvolle Moment zu Ende.

Die Zuſammenkunft in Eger bedeutete politiſ<h die Herſtellung größter Fntimität zwiſchen ODeſterreih und Rußland; damit war der politiſche Charakter des Ereigniſſes, wie der geſammten Situation in erſchöpfender Weiſe gekennzeichnet. Zwiſchen dem Kaiſer Franz Joſef und dem Czaren Alexander beſtand eine Uebereinſtimmung dex Anſchauungen, Abſichten und Jutereſſen, wie ſie nur immer zwiſchen zwei Monarchen denkbar iſt. Aber dieſe Futimität wurde nur erzielt, weil Deſterreih aufrichtig den Frieden wünſchte, weil es in keiner Weiſe ſih den Jutereſſen Deutſchlands feindli<h erwies. Deutſchland trug die Feſſeln der Freundſchaft, aber ſie drü>ten es niht und auh das deutſche Volk mußte einen wohlgeſhübßten Frieden als Wohlthat empfinden. Mit Rückſicht auf das Verſtändniß Deutſchlands für ſeine Futereſſen durfte man wohl die gemeinſchaftlihe Monarchenfahrt durch's Böhmerland als neue Friedensgarantie begrüßen.

Ein Sturmvogel vor dem Orkan.

Man glaubte nun die Aera der Beunruhigungen geſchloſſen; Bismar> beſaß ſeinen regelre<ten Urlaub „auf unbeſtimmte Zeit“, und nun, meinte man, könne ſi< die Welt auf eine Epoche der ungeſtörteſten Friedensarbeit gefaßt machen, in welcher die Kriegsgerüchte und beunruhigenden Alarmnachrichten ein für allemal auf den „Fndex“ — wie man das Verzeichniß des Verbotenen nennt — geſeßt wären. Allein, es ſchien, daß man zu frühzeitig frohlote, und daß Diejenigen, welche ein Vergnügen oder ein Fntereſſe daran hatten, den Horizont als bewölkt erſcheinen zu laſſen, ihr „curszetteldemolirendes Handwerk“ (wie es cin geiſtvoller Publiciſt bezeichnete) no< ungeſtört weiter treiben konnten.

Ein Artikel des St. Petersburger „Golos“ war es, welher als Sturmvogel galt, der den nahenden Orkan vorher verkündet.

Man war gewöhnt, in den Auslaſſungen der größeren ruſſiſchen Blätter, welche Aufſehen im Auslande maten, ſtets eine mehr oder minder

deutlih zu Tage tretende JFnſpiration zu ſuchen ; man fonnte von Petersburg aus no< ſo oſt verſichern, daß man dort eine eigentli<h officiöſe oder inſpirirte Preſſe na< abendländiſhen Begriffen nicht kenne, die öffentlihe Meinung ließ es ſi< niht nehmen, das Vorhandenſein einer unbeeinflußten Publiciſtik in Rußland für ein Ding der Unmöglichkeit zu erklären, und ſo blieb auh dem neueſten Artikel des „Golos“ in den Augen der Profanen eine officióſe Gloriole anhaftend, welhe man vergebens abzuleugnen bemüht war. Dazu kam, daß dieſes ruſſiſhe Journal, welches allerdings wie alle Blätter, die in St. Petersburg und Moskau erſcheinen, von der Präventiv-Cenſur befreit war, diesmal ein Thema anſlug, deſſen Behandlung einer thatſächlihen Unterlage niht entbehrte.

Das Blatt trat nämli<h für ein enges Zufammengehen Rußlands mit England ein. Ju der That war es ſeit einigen Wochen cin vollzogenes Ereigniß, daß zwiſchen beiden