Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

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daß der Czar auf der Rückreiſe von Bad Ems in irgend einem böhmiſchen Orte mit dem Kaiſer von Oeſterreich zuſammentreffen wolle. Wie es hieß, ſollte der Kaiſer von Rußland am 28. Juni Vormittags an der öſterreichiſchen Reichsgrenze bei Weipert und etwa um 12 Uhr Mittags in Komotau eintreffen, um von dort die Reiſe über Rumburg nah Warſchau fortzuſetzen. Seine Majeſtät Kaiſer Franz Joſef werde ſih zur Begrüßung des Czaren am 27. desſelben Monates Nachts nah 10 Uhr von Wien über Budweis und Pilſen nah Komotau begeben, dort am 28. eintreffen und Seine Majeſtät den Kaiſer Alexander von Komotau bis Rumburg begleiten. Nachdem Kaiſer Alexander Rumburg verlaſſen haben würde, ſollte der Kaiſer von Oeſterreich muthmaßli<h über Prag, Budweis und Linz nah JFſ{<l abreiſen.

Der Anfangsſchritt zu dieſer Begegnung ging von Seite des Kaiſers Alexander aus und fand in Wien, wie begreiflih, die freudigſte Zuſtimmung. Man legte dieſer neuen MonarchenBegegnung keinen ſpeciell politiſhen Charakter bei, weshalb auch keiner der beiden Kaiſer von einem Miniſter begleitet ſein werde. Die einzige beſondere Seite, die man dieſem Freundſchaftsacte abgewinnen wollte, war die, daß dadurch all’ dem leeren Gerede über eine Dismenhbration (Zerſtückelung) des Drei-Kaiſer-Bundes ein Dementi ertheilt würde, das an Deutlichkeit nichts zu wünſchen übrig ließe. Daß im Juli anläßlich der Reiſe des deutſchen Kaiſers nah Gaſtein eine Begegnung zwiſchen Kaiſer Wilhelm und dem Kaiſer von Deſterreic ſtattfinden werde, galt als ziemli<h ausgema<hte Sache, wenn au< der Schauplaß derſelben no< niht beſtimmt war. Am liebſten hieß es, würde Kaiſer Franz Joſef ſeinen kaiſerlihen Gaſt in F\<l, als im Familienkreiſe — die Kaiſerin, der Kronprinz, des Kaiſers Vater und die kleine Prinzeſſin Valerie befanden ſi< dort — begrüßen.

Die Zuſammenkunft der Kaiſer von ODeſterrei < und Rußland fand am 28. Juni in Eger ſtatt. Der Bahnhof war für das Publikum hermetiſch abgeſperrt. Große Vorſichtsmaßregeln waren getroffen und Gendarmerie und Polizei hielten alle Zugänge beſet. Die Warteſalons erſter und zweiter Claſſe waren zu Salons für die Monarchen hergerichtet. Das verkehrende Publikum wurde auf das Reſtaurationslocal beſhränkt. Vor dem Bahnhofe befand ſi< einiges Volk, dann die Stadtrepräſentanz, der Erlaubniß harrend, den Kaiſer begrüßen zu dürfen. Um halb ſieben Uhr traf der vom Generaldirector von Kogerer geführte Hofzug der Franz Joſef-Bahn ein. Rechts bildeten uniformirte baieriſhe Bahnbedienſtete, ® links Angeſtellte der Buſchtiehrader Bahn Spalier. Am Perron waren Fürſt Carlos Auersperg, der

Landescomimandirende Feldmarſchall - Lieutenant Philippovic, Statthalter Freiherr von Weber und einige höhere Statthaltereibeamte anweſend.

Der Kaiſer Franz Joſef, der ſehr wohl und heiter ausfah, reihte dem Fürſten Auersperg die Hand, ohne mit ihm zu ſprechen, converſirte dann mit FML. Philipp ovich und längere Zeit mit dem Statthalter von Weber vornehmlich über die jüngſten Elementar-Ereigniſſe. Nach einer Viertelſtunde zog ſi<h der Kaiſer in einen als Arbeitszimmer eingerichteten Salon mit Freiherrn von Mondel zurü>k und wechſelte die öſterreichiſche Campagne-Uniform gegen die Uniform ſeines ruſſiſhen Regiments.

Um acht Uhr erſchien der Kaiſer in der ruſſiſchen Uniform wieder auf dem Perron und nun erfolgte die Vorſtellung des Kreuzherrn-Abtes, des evangelihen Seniors, des Bürgermeiſters u... w. Während deſſen zog die Ehrencompagnie des Regimentes Württemberg auf. Der Attaché der ruſſiſhen Botſhaft in Wien, Herr von Tatuſcheff, war in Vertretung der Botſchaft bereits erſchienen.

Das Zeichen ertönte — der xuſ ſi} < e Hofzug, aus 27 Waggons beſtehend, fuhr in den Bahnhof ein.Noch im Fahren ſprangen vi er T\cherkeſſen, in ſ<harlahrothem Gewande ab und ſalutirten. Kaiſer Alexander, in der Uniform eines öſterreichiſhen Cavallerie-Generals, eilte auf den ihm entgegen eilenden Kaiſer Franz Joſef herzlichſt zu und es folgte eine ſtürmiſch-jugendliche Begrüßung. Die beiden Kaiſer umarmten und küßten ſich dreimal. Die übrigen Vorſtellungen der ruſſiſchen und öſterreichiſchen Würdenträger folgten raſh aufeinander.

Ju Karlsbad traf der Hofzug um 10 Uhr 36 Minuten ein; die Majeſtäten verließen den Waggon und begaben ſi<h in den decorirten Warteſalon, woſelbſ die Spitzen der Karlsbader Behörden dem Kaiſer ſi< vorſtellten. Dex Czar empfing eine Deputation von momentan in Karlsbad befindlihen Ruſſen unter Führung der Fürſten Barratynsky und Shuwaloff. Der Aufenthalt daſelbſt währte zehn Minuten und verließen die Monarchen um 10 Uhr 45 Minuten Karlsbad.

Um drei Uhr fuhr der Hofzug in die Halle des Bahnhofes von Bodenbach, woſelbſt ſhon um 2 Uhr 30 Minuten mit ſähſiſhem Separatzuge Prinz Georg von Sachſen mit einer feinen militäriſhen Suite und dem ruſſiſhen Geſandten in Dresden, Staatsrath von Koßehbue, zur Begrüßung der beiden Kaiſer angekommen war. Um eben dieſelbe Zeit hatten ſih am Perron die Spitzen der Behörden eingefunden. Eine Ehrencompagnie des Regiments König von Hannover mit der Muſik war daſelbſt auſgeſtellt und erwartete die Ankunft des Hofzuges. Um 3 Uhr fuhr derſelbe in die Halle. Zuerſt verließ der