Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

niht gekommen war und die Großmächte eine Störung des Friedens niht dulden wollten, ſo mußte man wenigſtens ein Heilmittel gegen die Urſachen ſuchen, welche die Unruhen und das Blutvergießen in den ſerbiſhen Provinzen der Türkei ſtets provocirten. Die Fürſten von Serbien und Montenegro hatten die Pflicht, auf diplomatiſhem Wege dahin zu trachten, daß den Grauſamfeiten in Bo 8nien und der Herzegowina ein Ende geinaht, die dortige Verwaltung verbeſſert, Leben, Ehre und Vermögen der Stammesgenoſſen der Türkei geſichert werden.

Bedeutſamer aber als dieſe Exclamationen, denen niht der gute Wille, wohl aber der Nachdru> wirkliher Macht fehlte, waren die Symptome, die ſi<h an anderen Orten im Osmaniſchen Reiche zeigten.

Es war unzweifelhaft, daß die Fuſurgenten Zuzüge niht nux aus Montenegro und Serbien, ſondern au< aus Bosnien und vielleicht au<h aus Albanien erhielten. Ueberall in dieſen Ländern betrachtete man die Sache der Fnſurgenten als die eigene, ſammelte Geld und warb Freiwillige zum Kampfe gegen den „heidniſchen Erb feind".

Jn den von einer griechiſchen, freili<h mit \laviſchen, arnautiſhen und osmaniſchen Elementen ſtark untermiſchten Bevölkerung bewohnten Provinzen Albanien, Epirus und Theſſalien gährte es gewaltig. Albanien, das man als eine Fortſezung Dalmatiens anſehen kann, wennglei<h es weniger die Karſtformation in ſeinen Gebirgen zeigt, hat der Pforte von jeher zu ſchaffen gemacht. Die Bewohner des an der Grenze von Albanien und Epirus gelegenen Diſtrictes von Voli hatten im griehiſhen Unabhängigfkeitsfriege dur< beſondere Tapferkeit geglänzt. Epirus und Theſſalien waren noh gefährliherer Boden für die Türkei. Fu Albanien war noh eine ſehr ſtarke und ſehr tapfere und kriegstüchtige moslemitiſ<he Bevölferung anſäßig, auf dem claſſiſhen Boden von Epirus und Theſſalien, die unmittelbar an das Königreich Griechenland grenzen, wohnten dagegen Männer griechiſhen Stammes, deren Väter von 1821 bis 1830 muthig gegen die Pforte kämpften und nux dur< das Dictat der Diplomatie von den übrigen Griechen getrennt und der Pforte belaſſen wurden.

Alle dieſe Länder ſind von einem rauhen unwegſamen Mittelgebirge erfüllt, das ſi<h von Norden na<h Süden zieht und nux von wenig Querthälern durchſchnitten wird. Es fehlt nicht an Ebenen, die einſtmals fruchtbar waren, aber ſie ſind heute wüſt und öde, bieten wenig Hilfsquellen und das ganze Land iſt wie geſchaffen für einen erbarmungsloſen Guerillakrieg. Die Vorgänge in dieſen Provinzen waren deshalb von beſonderer Wichtigkeit, weil, wenn ſie inſurgirt

oder auh nur beunruhigt wären, dadurh eine natürliche Brücke zwiſchen Griechenland und demFnſurrectionsplabßein der Herzeg9wina hergeſtellt wäre. Ueber Epirus, Albanien und Montenegro weg reihten ſi< alsdann Griechenthum und Slaventhum die Hände zum Kampf gegen den Halbmond.

Bis jet war es in dieſen Strichen noh nicht zum Kampfe gekommen ; indeſſen ſollte in Lariſſa, der bedeutendſten Stadt Theſſaliens, die Steuerverweigerung bereits ſtürmiſhe Formen angenommen haben. Jn aufgeregten Zeiten iſt aber, man weiß das, von einem Crawall zu einer Revolution die Diſtanz niht ſo groß. Der Steuexdirector Valet Effendi ging von Fanina nach Lariſſa.

Der Name Fanina erinnert an eine merkwürdige Epiſode aus der Geſchichte der Türkei, an den Widerſtand, den der berühmte oder berühtigte Aali Paſcha fo lange und mit ſo glänzendem Erfolge den Gewalthabern von Conſtantinopel entgegenſetzte. Er wurde zwar zuleßt unterworfen, doh erſt, nahdem er der Pforte dur<h Jahre Troß geboten hatte (bekanntlich eines der blutigſten Blätter aus der Geſchichte jener an Scre>ensthaten wahrli<h niht armen Landſtriche). Dieſe hiſtoriſche Reminiscenz iſt hier ſicherli<h am Plate. Wenn Theſſalien, Epirus und Albanien inſurgirten, dann war der ganze weſtlihe Provinzencomplex der Pforte ernſtlih gefährdet. Und dieſe Gefahr lag nun ziemli<h nahe.

Es mehrten ſi< die Anzeichen, daß die M iriditen in Albanien die günſtige Gelegenheit benüßen und losſ<hlagen wollten. Dieſer katholiſche Stamm der Albaneſen wohnt bekanntlih am Drin als unmittelbarer Nachbar Montenegros und erfreute ſi< bisher einer halb unabhängigen Stellung. Jhre Stammfürſten leiſteten im Kriege dem Großherrn Heerfolge, im Uebrigen bekümmerten ſich die Mixiditen blutwenig um den Paſcha in Skutaxi und ließen ſi< durch feine türkiſchen Steuereinnehmer das Leben ſauer machen. Fu Conſtantinopel hätte man {on lange gern dieſes „zweite Montenegro" beſeitigt und ſette deshalb auh den Sohn des verſtorbenen miriditiſhen Fürſten Bib-Dodo gefangen, damit ex nicht die Erbſchaft ſeines Vaters antreten könnte. Fett verlangten die Miriditen die Freilaſſung des Prinzen und machten, falls dieſe Bitte niht gewährt würde, Miene, gemeinſame Sache mit den ſlaviſchen Rajahs zu machen, mit denen ſie ſonſt keineswegs auf freundſchaftlih-nachbarlihem Fuße geſtanden. Wie weiters gemeldet wurde, mehrten ſi< in Theſſalien und Albanien . die Fälle von Steuerverweigerung. i

Veber das öſterreihiſhe Gebiet zogen fortwährend Serben nah der Herzegowina zur Unterſtützung der Aufſtändiſchen, und man wunderte ſih, daß die dem Aufſtande doh ah-

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