Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

Seite türkiſhe Verſtärkungen dem faſt iſolirten Derwiſch Paſcha zuführen. Die zweite Landzunge iſt die ſüdliher gelegene Suttorina, unweit Raguſa. Hier ſcien die Pforte zunächſt von der See aus die voin Vali verlangte Hilfe ausſchiffen zu wollen.

Damit war aber auh die große Bedeutung der in der Nähe liegenden, die Suttorina gleihſam dominirenden Bergveſte Trebinje klar erwieſen; gelang es den Jnſurgenten, ſi<h dieſes befeſtigten Plates zu bemächtigen, ſo wurde hierdur< die Landung türkiſher Truppen in der Suttorina ungemein erſhwert, wenn niht ganz unmöglih gemaht. Der Verſuch einer Landung

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fonnte dann leiht damit enden, daß die Truppen der Pforte in's Meer geworfen wurden. Fn dieſem Falle blieb immer no< der eine Weg über Klefk, der freili< ſeine politiſhen und diplomatiſhen Schwierigkeiten hatte. Allein es war niht zu erwarten, daß Oeſterreih-Ungarn ſich einer Ausſchiffung türkiſcher Truppen aus dieſer Enclave widerſeßen würde; denn ein ſolches Verbot wäre einer offenen Unterſtüßung der Aufſtändiſchen dur< das Wiener Cabinet ziemlih gleihgekommen und derartige Unterſtellungen wurden vom Grafen Andraſſy in jener Zeit ohneweiters Lügen geſtraft.

Diplomaliſches und kriegeriſ<es Verhalten.

Das politiſche Fntriguenſpiel der verſchiedenen JFntereſſen der Mächte nahm indeſſen, trot der todten Saiſon, in Conſtantinopel ſeinen Fortgang. Die bezüglichen Beſtrebungen konnte man in drei Gruppen ſcheiden : einmal in die Sonderintereſſen Englands, dann in die Anſtrengungen Frankrei<hs, ſeinen verloren gegangenen Einfluß auf dem Bosporus wieder zu gewinnen, und ſhließli< in die vonD eutſ<hland auf das Eifrigſte unterſtüßten Verſuche, die Türkei Oeſterreich freundlicher zu ſtimmen. Rußland kam bisher nicht in Betracht, denn ſeine Politik in Conſtantinopel bewegte ſi<h immer conſequent auf denſelben Bahnen, die es bereits ſeit Jahrzehnten breitgetreten hat, und die in Hinſicht auf die Operationen der übrigen Mächte eine reſervirte, ſcharf beobachtende Haltung befolgen und es in Fällen, wo es das ruſſiſche Fntereſſe erheiſcht, auh gegen dieſe Operationen, jedo<h ohne Eclat, eintreten laſſen, oft ſo verborgen, daß Niemand etwas davon merkt; darin beruhte eben die Ge\chi>li<keit des Botſchafters General Fgnatieff, der ſih übrigens mit einer mehr als zehnjährigen Praxis hierin ausweiſen konnte.

Der neue franzöſiſhe Botſchafter, Herr von Bourgoing, ſchien no< keinen beſtimmten Plan vorgezeihnet zu haben und erſt das Terrain gründlich ſtudiren zu wollen. Er war eifrig bemüht, viele und gute Verbindungen anzuknüpfen und ſtand dem Vertreter Englands unter den dortigen Diplomaten am nä<hſten. Man ſagte, es geſhehe aus der Abſicht, wieder einmal die Weſtmächte-Allianz, wenigſtens in Bezug auf den Orient überhaupt und die Türkei ſpeciell, in Anwendung zu bringen, au<h England nannte man dieſer Jdee niht abhold, namentli< ſeit der neueſten Zeit, wo es ſi< in Folge ſo mancher unangenehmen Erfahrungen, die es bei den

Türken gemacht hat, geſtehen mußte, daß ſein Einfluß am Bosporus ſehr weſentlih abgenommen habe und daß es niht vom Uebel wäre, gelegentlih an Frankreih eine Stüße zu finden. Was die Politik Oeſterreichs und Deutſchlands in Conſtantinopel anbelangte, fo ging dieſe neueſtens da hinaus, bei der aufinerfſamſten Pflege der «guten freundnahbarlihen Beziehungen“ unbemerkt eine Preſſion auf die Pforte zu üben, und zwar durh die Transactionen (Ausgleichs - Verhandlungen), die Oeſterreich zugleich mit Rumänien und Serbien führte.

Dem Herzegowiner Aufſtande gegenüber war die Haltung in Stambul immer noch eine eigenthümliche. Während die officiellen Organe, ſowohl der Militär- als au< Civil-Adminiſtration, die Sache als eine unweſentliche darſtellten, für welche Auffaſſung auch die türkiſche Preſſe eifrig eintrat, war ein Theil des Publikums, namentlich die Europäer, vom Gegentheil überzeugt. Die türkiſchen Blätter hatten vom Anfang an die Ereigniſſe dahin- exflärt, daß es ſi< um die Beſtrafung einiger katholiſcher Gemeinden in der Herzegowina durch den Vali von Bosuien handle, die ſich gegen ihre Unterthanentreue vergangen haben, indem ſie öſterreihiſhe Fahnen ausgeſte>t und gerufen hätten: „Es lebe Franz Foſef, der croati\<he König!“ Die Manifeſtation ſei von fatholiſhen Geiſtlichen angezettelt worden, ſowie von öſterreichiſhen Fngenieuren, die ſi<h zum Zwecke des Anbaues der öſterreichiſh-bosniſchen Eiſenbahnlinie in der dortigen Gegend aufgehalten hätten, Von anderer Seite jedo<h wurde ebenſo entſchieden behauptet, daß der Aufſtand mit jeden Tag zunehme und der Pforte mit Gefahr drohe, wobei man ſi< auf die Depeſchen beruft, welche die öſterreichiſhe Botſchaft in Conſtantinopel über den Fortgang der Fnſurrection angeblich täglich