Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

erhalte. Jm Uebrigen beſchränkte ſih das Gouvernement auf die Abſendung von drei Bataillonen Redifs na<h Bosnien, die angewieſen wurden, niht ſtrenge vorzugehen und mehr dur gütliches Zureden auf die Leute einzuwirken. Ein Mehr für den Auſſtand zu leiſten, ſchien die Pforte niht geſonnen, da es ihr abſolut an Geld gebrach, die Geldnoth machte ſi< eben auf das Empfindlichſte fühlbar.

Sultan Abdul Aziz war niemals ein großer Krieger, dafür ſuchte er den Glanz des Großtürfen zu erhalten. Er verſchwendete zu dieſem Behufe die ungeheuerſten Summen. Schlöſſer wurden ohne Zwe> gebaut und abgebrochen, in jedem der vielen Paläſte des Sultans wurden alltägli<h ſybaritiſhe Mahlzeiten für Abdul Aziz und ſeinen gewaltigen Hofſtaat vorbereitet, damit der Sultan frei wählen könne, wenn es Eſſenszeit war. Der Harem mit ſeinen tauſend Weibern, welche alle dur< wahrhaft orientaliſchen Luxus ſih für ihre ſonſtigen Entbehrungen zu entſchädigen ſuchten, verſchlang fabelhafte Summen. Wie der Herr, ſo der Diener. Die Großwürden„träger der Pforte überboten ſi<h wechſelſeitig in der Verſchwendungsſucht. Selbſtverſtändlih waren da die Staatscaſſen immer leer. Man machte Schulden, ſo lange es ging, und verpfändete, als es niht mehr ging, einen großen Theil der Staatseinfünfte. Alles Geld fiel jcedo<h in das bodenloſe Faß des Harems und die niederen Beamten und Soldaten erhielten monatelang feinen Sold. Sie regreſſirten ſi< nun an dem Volke, und beſonders die Rajah, die chriſtliche Bevölkerung wurde in unerhörter Weiſe geſhunden. Dabei folgten neue Steuern und immer neue Steuern, die man von dem armen ausgeſaugten Volke mit brutalſter Grauſamkeit eintrieb.

Daß derlei Zuſtände eine fortwährende Gährung unter der arg bedrü>ten Bevölkerung hervorbringen mußten, die endlich in offenen, blutigen Aufſtand übergehen würde, war begreiflih, ebenſo daß die Dimenſionen dieſer Erhebung im Voraus nicht zu beſtimmen wären. Schon hieß es, daß die mohammedaniſ<e Bevölkerung in der Herzegowina, wiewohl ſelbſt faſt durchgehends ſlaviſcher Abſtammung und derſelben Zunge, zu den Waffen greife, niht etwa um gemeinſame Sache mit ihren <riſtlihen Stammesbrüdern gegen die Regierung zu machen, ſondern um gegen die Fnſurgenten die Herrſchaft des Jslam und das eigene Hab und Gut zu vertheidigen.

Die bisherigen Erfolge der <hriſtli<hen Fnſurgenten und die dadurch grell hervorgetretene Ohnmacht des türfiſhen Gouvernements hatten die bis dahin ruhig und gegenüber den <riſtli<en Aufſtandsbeſtrebungen faſt mehr wohlwollend als gleihgiltig gebliebenen Moslems plöbli<h aufgegeſcheut. Faſt durhgehends den wohlhabenderen Theil der Bevölkerung der Herzegowina bildend,

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wurde ihnen mit einem Male vor ihrer: Zukunft bange, die ſie ſi< als religiöſe Verfolgung Hand in Hand gehend mit einer Verdrängung und Verjagung von ihrem Grundbeſitze, vorſtellten. Eine Art religiös-ſocialer Panique hatte ſich ihrer bemächtigt. Schon ſeit Wochen verſammelten ſih die beſißenden mohammedaniſchen Bewohner der zerſtreut liegenden Dörfer und Weiler zur Abhaltung von Conventikeln (geheimen Zuſammenfünften), in wel<hen in geheimnißvoller Weiſe das Verhalten gegenüber den Rajahs berathen wurde. Mit anderen Worten: man vorherſagte anſtatt eines politiſchen, einen Religionskrieg und RNacenkampf. Mit der Jdee eines ſolchen ſtimmten leider au< die vielen Barhareien und Nohheiten überein, deren Schauplaß die Herzegowina war und deren - wir nur einige wiedergeben wollen.

Ein angeſehener Kaufmann in Ljubuska, nächſt der öſterreichiſhen Grenze, Namens Fwan M ikfulitſ<h, hatte in Vogorabß ein Geſchäft zu verrichten. Kaum erfuhren die Türken, daß er „ein Oeſterreicher“ war, als ſie wüthend über ihn herfielen, er möge ihnen ſagen, was er dort gemacht habe. Dem Kaufmann blieb nichts übrig, als mit Hinterlaſſung ſeines Hauſes zu fliehen, um wenigſtens einen Theil ſeiner Habe und das Leben ſeiner Familie zu retten, — Ebenfalls in Ljubuska lebte ein weit und breit als ſeltene Schönheit bekanntes Mädchen, Drina Nikulina, nach deſſen Beſiß einige Türken {hon lange Zeit lüſtern waren und zulebßt beſchloſſen, es zu entführen. - Rechtzeitig gewarnt, floh das Mädchen mit ſeinem Vater; doh die Verfolger waren ihnen bald diht an den Ferſen und nur durh einen halsbreceriſhen Ritt gelang es dem Mädchen, das ſichere Fmotsk zu erreichen, während der Vater die Türken aufhielt. — Aus Sivno wurde nahträgli<h über die Ermordung des Prieſters

Karanta vom Orden der dortigen Patres Franziskaner gemeldet, daß ſi<h die Livnoer

Chriſten mit den Ordensbrüdern vereint, des Falles annahmen und vor dem Gerichte Satisfaction verlangten. Sie ſtellten Zeugen auf, die die Mörder namhaft machten ; allein der Richter behauptete, der Prieſter ſei in Folge eines Sturzes vom Pferde geſtorben. Man wollte Aerzte kommen laſſen aus Travuik und Sinj, um die Leiche auszugraben und den Beweis herzuſtellen, allein die Türken ließen das nicht zu. Jn der Nacht gruben ſie jedo<h ſelbſt die Leihe aus und warfen ſie den Hunden zum Fraße vor.

Nicht minder barbariſ<h verfuhren die aufſtändiſchen Chriſten, und Mord, Brand und Raub waren an dex Tagesordnung.

Der erſte Erfolg der Türken waren die Kämpfe im Krupa-Thale. Mit einer bedeutenden Macht, theils aus fanatiſirten moslemitiſchen Einwohnern, theils aus Asfkeren (regelmäßigen