Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
deutende Anzahl von Todten oder Verwundeten am Nachmittag des 24. Juni. Bald waren 77 Fälle von Tod oder ſ{<hwerer Verlebung unter der Civilbevölkerung conſtatirt worden. Das ſtärkſte Contingent lieferten die Türken; die Juden hatten einen Todten und 7 Verwundete. Bon dir europäiſchen Colonie waren drei Frauen öſterreichiſcher Nationalität ſ<hwer verlcßt worden. Die Zahl Derer, welche dur herabfallende Ziegel, Steinſplitter und Holzſtü>e verleßt worden, war ſehr bedeutend. Vom türkiſhen Militär wurden ein Offizier getödtet und vier Mann verwundet. Jm Gefangenhauſe wurden zwei Arreſtanten getödtet. Unbeſchreiblih war am nächſten Tage der Scre>, unter deſſen Einfluß die ganze Stadt ſtand. Unter dem Dru>e des mit Beſtimmtheit auftretenden Gerüchtes, daß das Bombardement Montag den 25. Juni fortgeſeßt werden ſolle,
JI
traf Alles Vorbereitungen zur Flucht. Was an Fuhrwerken aufzutreiben war, wurde zum Aufladen der Habſeligkeiten verwendet. Jn langen Colonnen zogen die Familien na< Sgjumla, Czernawoda oder in die umliegenden Dörfer. Zivei Eiſenbahnzüge brachten einen Theil der Bevölkerung na< Varna, während die ärmeren Leute, ihre geringen Habſeligkeiten zurülaſſend,
in die Weinberge entflohen. Alle Kaufläden waren verſchloſſen, aller Verkehr ſto>te, die Straßen waren gänzli<h entvölkert. Treß der
angekündigten Fortſeßung des Bombardements verging doh der Tag in vollkommener Ruhe, nur das türfiſhe Militär-Commando benübte die Pauſe, um etwa ſe<s bis aht ſ<were Gi ſchüte aus den ſüdlihen Forts in die Donau-Batterien zu bringen und die Geſhüße der landeinwärts im Norden der Stadt gelegenen Batterie ſ{räg auf Giurgewo zu richten.
Eroberung von Ardaßhan dur< die Ruſſen.
Während an der Donau die immer mehr an Heftigkeit zunehmenden Kanonaden alle dort befindlichen Uferſtädte in Schutthaufen zu verwandeln drohten und ſo den erſten Uebergang der Ruſſen über den „fließenden Wall“ verkündeten, fanden auf dem Kriegsſhauplaße von Kleinaſien bereits bedeutende Kämpfe, und zwar mit abwechſelndem Glüke ſtatt.
Die 4 Corps, von denen das erſte auf der Straße von Poti und Oſurgati nah Batum, das zweite unter Gencral Dewel von Achalzik aus gegen Ardahan zog, das dritte uuter General Loris Melikoff ſhon im Lager von Zanin ſtand und das vierte bereits Beſitz von Bajazid und Diadian genommen hatte, marſchirte troy der oft faſt unwegſamen Pfade und des hochaufgethürmten Schnees ihrem Ziele zu. Die Führung der vier Colonnen war den Händcn erprobter Führer anvertraut, die oberſte Leitung der militäriſhen Operationen in Tiflis in dem Cabinete des Großfürſten Michael, GeneralGouverneurs des Kaukaſus, concentrirt.
Ueber die Perſönlichkeiten der vier Befehlshaber wurde Folgendes bekannt :
Der hervorragendſte unter denſelben war General Loris-Melikoff, welher auh in Bertretung des Großfürſten das „Obercommando“ führte. Loris iſ ein Diſtrict des Gouverucments Tiflis, Melik bezeihnet im Armeniſchen einen Adeligen — es iſ wenigſtens der Titel,
welchen die Perſer den armeniſchen Adeligen vor
der ruſſiſhen Eroberung gaben. Der Ausgang in „tofj“ iſ ruſſiſch und von den Armeniern des Landes im Allgemeinen angenommen worden.
Loris-Meſlikoff bedeutet alſo einen Adeligen von Lori.
Der General iſt Armenier von Abſtammung, der Religion na< gregorianiſher Armenier. Sein Vater war Kaufmann. Er ſtudirte im Juſtitut Lazareff in Moskau die orientaliſchen Sprachen. Er ſpricht das Armeniſche, Türkiſche, Tartariſche, Perſiſche, Ruſſiſche und Franzöſiſche, kennt aber weder das Engliſche no< das Deutſche. Er begann ſeinen Dienſt in einem HußarenRegiment in Petersburg. Als Murawieff bei Beginn des Krimkrieges kaiſerlicher Statthalter in Tiflis war, bekleidete Loris-Melikoff die Charge eines Oberſten und befehligte ein leichtes Cavallerie-Regiment gegen die Türken. Nach der Einnahme von Kars wurde er Commandant dieſes Plapes, mit dem Range eines Generals. Ehe Murawieff ſeinen Poſten als Statthalter des Kaukaſus verließ, empfahl er ihn ſo wie den General Danduk off-Karſakoff, gegenwärtig General-Gouverneur von Kiew, ſeinem Nachfolger, dem Fürſten Woronzoff.
Fünfzehn Fahre ſpäter, nah der definitiven Pacificirung des Kaukaſus unter dem Großfürſten Michael, wurde General Loris-Melikoff als Gouverneur na< Wladikawkas geſchi>t. Er mußte in der Folge einen Urlaub aus Geſundheits-Rückſichten nehmen, dbeſu<hte Paris und verweilte eine Zeitlang in Wiesbaden. Dort traf er mit dem Kaiſer zuſammen, und dort au< wurde ihm na< der Kriegserklärung der Hauptpoſten bei der Armee des Kaukaſus anvertraut. Man hielt ſi< bei dieſer Wahl weniger an