Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten

der l[ocalen Bevölkerung waren in Petersburg niht vorhanden. Es war mehr als wahrſcheinlih, daß die Erbitterung der Bergbevölkerung ſi< no< niht ganz gelegt hatte und daß die Erinnerung der Kämpfe mit den Ruſſen bei ihnen no< lebte; die furz zuvor in der Tſchetſhna zu Tage getretene Bewegung zeigte, daß die Bevölkerung doh hie und da zu JFnſurrectionen geneigt war. Unweit von Suhum befindet ſi<h Swanetien, wo Unruhen zum leßten Male kaum erſt vor einem Fahre ſtattgefunden hatten. Angeſichts deſſen war die Möglichkeit niht zu leugnen, daß einige Schwierigkeiten für die Ruſſen entſtehen konnten, die die Anweſenheit einer größeren Truppenzahl erforderlich machten.

Es war feine Kleinigkeit, wenn eine Küſtenlinie von 150 bis 180 Werſt, wie die zwiſchen Fort Adler und Otſchemtſchir, welche das Einfallsthor in den Kaukaſus iſt, ernſtli< bedroht erſchien. Fort Adler war eine wichtige Poſition, weil fie den Weg in das Gebirge ſperrte. Am 23. Mai eröffnete die türkiſche Flotte ein ſo heftiges Bombardement gegen das ſ<hwache Fort, daß die Garniſon auf einen eiligen Rückzug Bedacht nehmen mußte. Während die zwei Plaſtuner Bataillone der Beſatzung ſih zurü>zogen, ſette die türfiſhe Flotte 3200 Tſcherfeſſen an's Land, welche ſi< glei< in Beſiß des übrigens ſtark mitgenommenen Forts ſetzten. Die abchaſiſhe Bevölkerung aus der Umgebung ſtrömte

767

herbei und fraterniſirte ſofort mit den ehemaligen Auswanderern. Von allen Stämmen des Käufaſus waren die Abchaſen die widerhaarigſten geweſen und geblieben, Die ruſſiſhe Garniſon von Adler zog ſi<h na< Sotſcha zurü>, wo fie von einer größeren Abtheilung unter den Befehlen des Oberſten Shulkowniko ff aufgenommen wurde.

Alle Truppen des nördlichen Diſtrictes erhielten Befehl, in Eilmärſhen na< Sotſcha abzugehen. Auch die Kubaner Koſaken, ſowie die in der Kubanja ſich befindenden Reſerve-Bataillone waren in der Richtung nah Sotſha abmarſchirt. Alle Dörfer um Suchum- Kaleh herum griffen zu den Waffen und verſuhten jener Abtheilung die Verbindung mit dem Jnnern abzuſchneiden. Am 24. Mai langten 2100 Mann nebſt ſe<s Ge{hüben Verſtärkungen an und nun gelang es General Krawtſhenko, ſi<h am 25. den Weg na< Kutais zu erzwingen.

Nicht minder Beachtung nahm auh das Teref-Gebiet in Anſpru<h. Die Landſchaften Salatavien und Gumbeti waren dur< türkiſche Emiſſäre inſurgirt worden. General Owß jan ifoff war nach dort entſendet worden. Der Anführer des dortigen Aufſtandes, Ali Beg, war ſehr angeſehen und ſol< ein fanatiſher Feind Rußlands, daß er im Stande wäre, ſi<h in's Gebirge zurü>zuziehen und den Ruſſen auf Jahre hinaus zu ſchaffen zu machen. Auch ſind die Tereker Mohammedaner ein ſehr tapferer Stamm.

DBrinz Reuß und die Aufregung in Conſtanlinopel.

England hatte endlih, glei<h den übrigen Mächten, ſeine Neutralität erklärt, allein wie ein Bliß aus heiterem Himmel hatte in Conſtantinopel die Nachricht gewirkt. Die Türken hatten ſi<h bis dahin in der Hoffnung gewiegt, daß der Alliirte vom Krimkriege ihnen au< jet ſeine materielle Zuneigung niht entziehen werde, und der hartnä>ige Widerſtand, den ſie den Vorſchlägen der Mächte entgegengebra<ht, mußte eben auh auf dieſe Hoffnung zurü>geführt werden ; würde die Pforte zur Zeit, als die Conferenz in Pera tagte, Gewißheit über ihre Stellung gehabt haben, ſo hätte ſie \<hwerli< die gutgemeinten Rathſhläge ſo mancher befreundeten Macht abgelehnt. Nunmehr war der Wahn eines engliſ<en Bündniſſes vorüber, die Pforte war zu der peinlichen Ueberzeugung gelangt, daß England niht türkiſche, ſondern ſeine eigenen Fntereſſen zu vertheidigen entſchloſſen war, und daß die Wahrung dieſer Fntereſſen durchaus nicht die Fntegrität des Türkiſchen Reiches bédinge.

Kaum waren es zehn Tage, daß die ruſſiſche Kriegserkſärung dort angelangt, und {hon maten ſi< allerlei Conſequenzen und Symptome des Kriegs8zuſtandes bemerkbar. Hunderte von Familien verließen die Stadt, die Wohlhabenden gingen na< Europa und die Minderbemittelten ſuhten ihr Aſyl auf einer der grie<hiſ<en Fnſeln; die alarmirendſten Gerüchte cinculirten im europäiſchen Quartier; in Folge der Verkehrsſperre zwiſchen Odeſſa und Conſtantinopel ſtiegen alle Leben8mittel, namentli<h Brot und Fleiſch, ſtark im Preiſe. Am 2. Mai war ein förmliher Sturm auf die Bä>erläden, in Folge einer von böswilliger Seite ausgeſtreuten Nachricht, daß die Zufuhr von Lebensmitteln dur< ruſſiſhe Schiffe verhindert wird, was die den unterſten Ständen angehörige Bevölkerung von Galata und Pera in hö{<ſte Angſt verſetzte, denn Feder wollte ſeine Proviſion an Brot wenigſtens für einige Tage de>en; da jedo< ein ſolhes Quantum nict vorräthig war, ſo war die Polizei genöthigt, einzu? ſchreiten, um allfälligen Exzeſſen vorzubeugen.