Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
angegriffen werden, allein es beſtand doch eine, wenn auch entfernte Möglichkeit, über die Gewäſſer des Sumpfes und des Govan-Sees hinüber zu gelangen auf jenen Höhenzug, der über den Wäſſern hervorragt und auf dem vorwärts \hreitend man bis unmittelbar vor Matſchin und die Flanke in den Rücken dieſer Stellung gelangen fann. Und dieſes Umgehungs8manöver eben haben die Ruſſen in der Naht vom 20: auf den 21. Funi ausgeführt. Ein Corps von 6000 Mann mit 8 Geſchüßen wurde in Galat eingeſchifft. Man benüßtte die einfachſten und flachgehenden Fahrzeuge, Kähne, Zillen und Flöſſe, denn man hatte niht blos das tiefe Waſſer der Donau, man hatte den Ueberſhwemmungsrayon derſelben, den Govan-See und den Sumpf zu paſſiren. Die Richtung, die genommen werden mußte, wurde offenbar in den früheren Tagen dur< erprobte, in Waſſerfahrten geübte Leute beſtimmt. Es mögen gegen 300 Fahrzeuge der gedahten Art nothwendig geweſen ſein, um jenes Corps von 6000 Mann mit der nöthigen Munition und Approviſionirung, dann die acht Geſchütze mit ihrer Beſpannung aufzunehmen. Der Mond, der im Funi die Nächte erhellt, erleichterte die Fahrt, die übrigens troßdem no< immer abenteuerlich genug geweſen ſein mag. Das helle Mondlicht auf einer ungeheueren Waſſerfläche läßt die Nichtung gar leiht verlieren und der Schiſſer muß das Gewäſſer, das er befährt, ſehr gut kennen, wenn er niht den Cours verlieren foll. Der Kampf, der auf den Höhen, Galaß gegenüber, ſtattfand, war nur eine Vorbereitung zum Uebergang bei Braila-Matſchin. General Gufkoff hatte am 21. Befehl, mit einer Brigade der 18. Diviſion ſi<h der Gala gegenüber bis Matſchin ziehenden Höhen um jeden Preis zu bemächtigen und auf Matſchin vorzudringen, um den Uebergang bei Braila zu deen. Um 3 Uhr Morgens griff er denn auh mit 1500 Mann, (welche äußerſt mühſam und mit großen Hinderniſſen und Gefahren $8 Kilometer dur<h Sümpfe auf Kähnen zurückgelegt hatten) die Türken an; dieſelben, 1800 Mann, hatten eine vorzügli<h ſtarke Stellung am Abhang des Gebirges eingenommen und empfingen die aus den Booten abſteigenden Ruſſen mit einem fürhterlihen Kugelregen. Es waren nämli<h drei Bataillone mit zwei Kanonen aus Matſchin zur Verſtärkung des einen türkiſ<hen Bataillons, wel<es die Stellung beſeßt hielt, angekommen. Die Ruſſen ſtürmten mit lautem Hurrah in Tirailleur-Formation vor, aber niht ohne empfindliche Verluſte. Der ungleihe Kampf wogte unter beſtändigem Schnellfeuer und langſamem Vorrücken der Ruſſen bis neun Uhr hin und her, Dann bekamen dieſelben Verſtärkungen, die den Türken in die Flanke fielen, und um zehn Uhr gelang es ihnen endli<h, eine Batterie auf Flöfſen hin-
überzuſhaffen, welhe au< ſoglei<h den Berg hinaufſprengte und effectvoll in den Kampf eintrat, indem ſie die türkiſ<hen Kanonen nah einer halben Stunde zum Schweigen brachte. Die ruſſiſche Jufanterie machte ſodann einen Bajonnet-Angriff, dem die Türken niht widerſtanden. Sie wichen und zogen ſi<h, ohne verfolgt zu werden, auf dem Wege nah Babadogh zurü>, während die Ruſſen die Dörfer Bacareni und Sifißa beſeßlen und bis zum Kamme des Gebirges vorrü>ten und ſi< dort feſtſezten. Der taktiſhe Zwe> war erreiht. Die Matſchin dominirenden Höhen waren genommen und nichts hinderte mehr den Uebergang in Braila, da die Türken Matſchin noch in der Nacht räumten und ſi< na< Hirſowa zurü>zogen. Verhältnißmäßig hatte dieſer Kampf den Ruſſen viel gekoſtet; 160 Verwundete und 40 Todte, im Vergleih zu der Zahl der angreifenden Truppen ein ſtarker Verluſt, der von der Erbitterung, mit welcher gekämpft wurde, eigt.
° Die Türken haben ſi< au< diesmal dur Grauſamkeit und Barbarei ausgezeichnet. Sie haben eine kleine ruſſiſhe Abtheilung aus einem Offizier und einigen Mann, welche iſolirt war, mit erdrü>ender Uebermacht angegriffen und
ſih niht damit begnügt, dieſelben. niederzumeteln,
ſondern verſtümmelten und marterten fie in der fürchterli<hſten Weiſe. Man wollte Repreſſalien üben, allein Kaiſer Alexander hatte ausdrüdlih befohlen, daß man feine Rache übe, und die ſtrengſte Mannszucht in dieſer Hinſicht den Offizieren auferlegt.
Um vier Uhr Morgens wurde der Vormarſch vorſihtig bis auf 12 Kilometer von Matſchin fortgeſebt. An demſelben Tage kam der Kaiſer mit dem Großfürſten Thronfolger und einer glänzenden Suite nah Braila, um vier Uhr Morgens fuhr er aber bis Galaß weiter, um die in dem Kampfe Verwundeten zu beſuhen. Dort angekommen, nahm er die Spitäler in Augenſchein, ertheilte einige Auszeihnungen den Offizieren und Soldaten, die ſi< hervorgethan hatten, darunter dem General Gufo ff, der das Großkreuz erhielt, und einem Soldaten, der zuerſt auf türkiſhem Boden aus dem Kahne geſprungen war; ſodann fuhr er na< Braila zurü>, wo ex um neun Uhr ankam und ſih ſogleich in's Lager begab, welhes vor dem in Erinnerung der im Jahre 1828 erfolgten Einnahme Brailas errihteten Monumente aufgeſchlagen war. Die Truppen empfingen ihn mit großem Enthuſiasmus, dev ſi<h dur< niht endende Hurrah-Rufe Luft machte. Die Soldaten umzingelten den faiſerlihen Wagen, fielen auf die Knie, weinten wie Kinder, und der Wagen konnte nur mit großer Mühe die Reihen der bewegten Menſchenmaſſen dur<hbre<hen. Ein ergreifenderes Schauſpiel konnte man ſi< niht denken. Zu den
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