Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
hätte ſie zu größerer Wachſamkeit, zur Verſtärfung ihrer Truppen in und vor Matſchin beſtimmen ſollen. Das Erſcheinen des Kaiſers Alexander in Braila mußte ihnen übrigens jeden Zweifel darüber nehmen, daß gegen Mathin ein ernſtes Unternehmen im Zuge ſei. Allein Vorſicht und Wachſamkeit ſind niht jene Eigenſchaften, welche die türkiſhe Kriegführung auszeihnen. So wurden die Türken, obglei<h Warnung8zeichen deutlihſter Art vorhanden waren, dennoch überraſcht, und es iſ den Ruſſen gelungen die Donau gerade auf einem Punkte zu überſchreiten, wo die Schwierigkeiten die größten ſchienen, und vorläufig wenigſtens feſten Fuß jenſeits der für unbezwingli<h gehaltenen Schranken zu faſſen.
Ein Blik auf die Donau-Landſchaft zwiſchen Braila und Gala bis über Matſchin hinaus genügt allerdings, um wenigſtens theilweiſe das Gefühl der Sicherheit zu erklären, dem ſich die türkiſchen Generale offenbar hingegeben hatten. Auf dem rechten, türkiſ<hen Donauufer erſtre>t ſih meilenweit ein ungangbharer Sumpf, der ſih an einigen Stellen zu förmlihen Seen vertieft, die niemals austro>nen. Dieſe ganze ungeheure Fläche bildete überdies, bei dem no< hohen Stande der Donau, einen Waſſerſpiegel, aus wel<hem nur einige Punkte hervorragten. Der Sumpf wird durch einen ziemlich ſteilen Höhenzug abgegrenzt, der fi<h bei Matſchin zu ſhroffen Gipfeln erhebt. An verſchiedenen Stellen dieſes Höhenzuges hatten die Türken Verſchanzungen aufgeworfen und Batterien errichtet, welche die weite Sumpflandſchaft vollſtändig beherrſchten. Hier hinüber, mußten ſie denken, kann der Feind mit größter Macht niht kommen. Wohl mögen einige Koſaken auf ihren leihten „Czajkas“ (fleinen Militärſchiffen) den Sumpf befahren, allein einige Flintenſchüſſe genügen, um die ke>en Ruderer zu verſcheuchen, die das Boot mit derſelben Gewandtheit handhaben wie das kleine Steppenpferd. Die Türken wußten nicht, daß einſtmals, als no< in Conſtantinopel ein grieciher Kaiſer auf dem Throne ſaß, aus den Mündungen des Dnieper und des Don hervor die Ahnherren der Koſaken auf langen, ſc{<malen Ruderbooten in's Shwarze Meer und in die Dardanellen hineinfuhren, ſelbſt das feſte Byzanz mit Brand und Plünderung bedrohten und mit reicher Beute beladen wieder in die Steppenſflüſſe zurü>ruderten. Gerade die unüberwindlih erſcheinenden Schwierigkeiten ließen den ruſſiſchen Feldherrn den Gedanken faſſen, den erſten Donau-Uebergang in der Gegend zwiſchen Braila und Galaß zu verſuchen. Die ſtärkſten Feſtungen wurden durch Ueberfall nicht ſelten dadurch genommen, daß die Vertheidiger derſelben wohl auf den zugänglihen Seiten zum Empfang des Feindes vorbereitet waren, dafür aber die für
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ſturmfrei gehaltenen Punkte außer Acht ließen. Das größte Wagniß hat oft beſſere Chancen des Gelingens einem nicht beſonders vorſichtigen Feinde gegenüber, als ein wohl bere<neter Plan.
Einem anderen Feinde gegenüberſtehend, hätten die Ruſſen allerdings kaum den Streich gewagt, den ſie in der Naht vom 21. auf den 22. Funi vorläufig mit großem Glücke durchgeführt hatten. Vor mehr als aht Tagen bereits gelang es ihnen, von Braila aus einige Abtheilungen über die Donau na<h Getſchet zu bringen. Jn jenem Donauarm, der von den Forts von Matſhin den Namen „Matſchin-Canal“ führt, war ein Theil der türkiſchen Flottille dur<h Torpedos abgeſchloſſen und konnte daher für die Vertheidigung der Donauſtre>e zwiſhen Braila und Galaß niht in Betracht kommen. Von Getſchet weg zieht ſi< längs des Matſchin-Canals eine Hügelkette hin, den Sumpf zur Rechten, ſowie den Donauſpiegel zur Linken überragend, und hier hatten die Ruſſen eine Batterie etablirt.
Gleichzeitig begannen ſie den Bau einer Kriegsbrüde zwiſhen Braila und Getſchet. Aber das beunruhigte die Türken nur ſehr wenig. Was ſollte auh dieſe Brücke? Eine Brücke iſ doh niht dazu da, um hinüberzugehen und dann wieder zurü>zukehren, man muß über die Brü>e irgend wohin gelangen können. Wohin ſollten aber die Ruſſen auf der Braila-Getſchet-Brücke fommen? Vor Getſchet und der Richtung auf Matſchin reißt jene Hügelkette plößlih ab. Eine Waſſerader verbindet den Govan-See mit dem Matſchin-Canal und jenſeits dieſer Waſſerader beginnt wieder der tiefe, ungangbare Sumpf, der ſi< bis zu den ſteilen Höhen von Matſchin in einer Breite dehnt, welche die der Donau um das Vierfache überſteigt. Alſo niht einmal auf Matſchin konnten die Ruſſen über ihre Brücke marſchiren, re<ts von der Brücke der tiefe und breite Matſchin - Canal, jenſeits des Canals Sumpf, links von der Brü>ke Sumpf und See, gradaus der Waſſerlauf des Govan- Sees und Sumpf, hinter dieſem letzteren Sumpfe die befeſtigten Höhen von Matſchhin, was in aller Welt fonnten die Ruſſen in dieſem einſamen, öden, verlaſſenen Winkel ſuchen, außer höchſtens eine ergiebige Jagd auf Pelikane, Reiher, Rohrdommeln und Waſſervögel aller Art?
Die Brücke zwiſhen Braila und Getſchet war begonnen, Matſchin in der Front anzugreifen, erſchien als ein Ding der Unmöglichkeit. Die Türken hlieben ruhig auf ihren Höhen, von denen ſie eine wunderbare Ausſiht auf die Waſſerwelt bis hinüber na<h Braila und Galaß genießen und der mühſamen Arbeit des Brückenſhlagens zuſehen konnten. Aber ſie vergaßen dabei ganz und gar, daß es ſogenannte Umgehun gs8manöver giebt. ;
Ju Front konnte Mat ſcin allerdings nicht