Illustrierte Geschichte des Orientalischen Krieges von 1876-1878. : mit 318 Illustrationen, Plänen, Porträts und zwei Karten
Batterien Ruſtſhuks das von den Rumänen auf die „Niſh“ abgegebene Feuex erwiderten, da telegraphirte Esref Paſcha, im grellen Gegenſaße zu dem wahrheit8gemäßen Bulletin des alten Kaiſſerli, an das Seraskierat, daß er, nämlich Esref, es war, wel<her einen Brückenſchlag der Ruſſen bei Slobißa zu verhindern ſuchend, den feindlihen Pontontrain in Grund und Boden \hoß, wofür ihm gleichfalls telegraphiſh das Großkreuz des Osmanieh-Ordens vom Sultan verliehen wurde. Um ſi< dankbar für dieſe Auszeihnung zu zeigen, bombardirte er allerdings in ungeſchi>teſter Weiſe die harmloſen, vor Giurgewo verankerten Schiffe, ohne natürli ein Reſultat zu erzielen.
Fn ähnlicher Weiſe, wie Es ref in Ruſtſchuk, wirthſchaftete Selo mi zu Siliſtria, Raſchid zu Varna; immer dieſelbe Geſchichte von Eiferſucht, Mißgunſt und Neid, ſtatt innigem Zuſammenhalten in einer ſo ſ{<weren, kritiſhen Zeit, wo ein überlegener Feind ſi< anſchi>t, den ‘Krieg in's Fnnere des Reiches zu tragen.
Die Nachriht von dem Donau-Uehbergange der Ruſſen bei Siſtowo und ihrem Vormarſche gegen Rasgrad und Tirnowo hatte in Conſtantinopel eine fur<tbare Panique hervorgebraht. Die beruhigenden Depeſchen, welche Abdul Kerim Paſcha ununterbrochen dem Sultan und dem Kriegs miniſterium zugeſendet, konnten die aufgeregten Gemüther nicht beſhwihtigen, wiewohl er darin unaufhörlich verſicherte, „alle Maßregeln getroffen zu haben, um alle anderweitigen Verſuche des Feindes, die Donau an anderen Stellen zu überſchreiten, ſowie eine Vorrü>ung der Nuſſen von Siſtowo aus zu verhindern“. Man betrachtete die erſte Vertheidigung8linie als dur<hbro<hen und den Balkan-Uebergang der Ruſſen nur mehr als eine Frage der Zeit. Die Miniſter gingen ganz Éleinlaut herum und der Sultan war vom Schre>ken ergriffen. Er ‘fand nux mehr Troſt in den außerordentlichen Kriegsräthen, welche er faſt tägli<h unter ſeinem Vorſiße verſammelte. Jn einem dieſer Kriegsräthe wurde die Entſendung des Kriegsminiſters Redif Paſcha, begleitet von dem ehemaligen Krieg8miniſter Namyk Paſcha und Mahmud Paſcha, dem erſten Adjutanten des Sultans, zur DonauArmee beſchloſſen. Die Miſſion Redif Paſchas erſtre>te ſi< auf die Jnſpicirung der Armee, der Feſtungen und auf die Betheiligung an den Kriegsconſeils des Serdar Ekrem. Während ſeiner Abweſenheit wurde er von dem Schwager des Sultans, Mahmud Damat Paſcha, in der Leitung des Krieg8miniſteriums ſupplirt.
Es beſtanden ſ<on ſeit einiger Zeit zwiſchen Mahmud Damat und Redif Mißhelligkeiten, welche in den leßten Tagen in Folge einer von Mahmud Damat beantragten und vom Sultan
genehmigten Maßregel in Bezug auf die Nachri<ten vom Kriegsſchauplaße einen ſ{ärfer ausgeprägten Charakter angenommen hatten. Bisher wurden die Telegramme der Commandanten an den Krieg8Sminiſter gerichtet, welher fie ſodann dem Sultan und dem Miniſterrathe vorlegte. Mahmud Damat hatte bewirkt, daß die Commandanten von nun an ihre Berichte direct an den Secretär des Sultans zu richten hatten, welche Verfügung unzweifelhaft einen Act des Mißtrauens gegen Redif Paſcha bekundete.
«Fndeſſen hatte ſi<h der türkiſhe Kriegsminiſter, Nedif Paſcha, in das Hauptquartier der Donau-Armee begeben, angebli<h um eine Unterſuchung darüber einzuleiten, ob der Generaliſſimus Abdul Kerim Paſcha nichts verſäumt habe, um den Strom gegen die Ruſſen zu vertheidigen, und ob ihn feine Schuld wegen des Ueberganges der feindlihen Streitkräfte bei Siſtowo treffe.
Nedif Paſcha war abex ganz und gar niht der Mann, dem man die Befähigung zu einer ſolchen Unterſuchung zutrauen kounte, und es war niht dem mindeſten Zweifel unterworfen, daß Abdul Kerim, obwohl ex niht unter die großen Meiſter der Strategie gezählt werden darf, an militäriſher Bildung wie an Patriotismus dem Kriegsminiſter überlegen war. Dem Oberbefehl8haber der Donau-Armee konnte man allenfalls vorwerfen, er hätte bei Siſtowo eine zu geringe Truppenmacht aufgeſtellt, aber er konnte ſi< mit der Länge ſeiner Vertheidigungslinie und der Knappheit ſeiner Streitkräfte enthuldigen. Allein bald nah der Abreiſe Redif Paſchas hieß es, daß Abdul Kerim, der Commandeur en chef, einen Nachfolger erhalten ſolle. Auch Prinz Haſſan, der Sohn des Khedive, hatte dem Sultan ein Telegramm geſandt, worin er über die Unfähigkeit vieler Generale der DonauArmee klagte und deren Entfernung verlangte.
Die allgemeine Unzufriedenheit, wozu die fortwährenden Palaſtintriguen das ihrige beitrugen, hatte in Conſtantinopel eine Kriſe hervorgerufen. — Jn Folge deſſen wurde Abdul Kerim Paſcha ſeines Poſtens enthoben und Redif Paſcha gleichfalls abgeſezt. Zugleich hatte in Conſtantinopel eine Miniſterkriſe ſtattgefunden, wodur< der Miniſter des Aeußern, Safvet Paſcha, entlaſſen und dur< Arifi Pa ſcha erſet wurde.
Der Sturz Abdul Kerim’'s wurde übrigens dem Einfluße Klapka's zugeſchrieben. Georg Klapfa ſchien in dieſem Feldzuge der militäriſche Souffleur und Hausſtratege des Sultans geweſen zu ſein, und es konnte auh darüber fein Zweifel ſein, daß der Wechfel im Obercommando auf Rechnung der Rathſchläge Kl a pfa’s gekommen waren. Es hatte derſelbe ſtets
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