Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel
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machte mix das leidenſchaftliche Geſtändniß ſeiner Liebe, und bald fing er an, mi<h mit Liebeserklärungen und Betheuerungen wahrhaft zu verfolgen. J<h war ganz außer mix und vertraute mih Fräulein von Kalkſtein an, die mix dringend rieth, wie es ſich ja au< von ſelbſt verſtand, dem Prinzen mit Ehrerbietung aber mit Feſtigkeit zu erklären: „er müſſe aufhören, mix Aehnliches zu ſagen, da ex mih dur ſeine Neigung nux in's Unglü>k bringen könne.“ So lange die gute Kalkſtein am Hofe war, habe i< ihr immer gefolgt und mich ganz von ihr leiten laſſen, aber als ſie fort war, hatte ih Niemand mehr, den ih um Rath fragen konnte in der täglichen Noth und Bedrängniß und den tauſend bangen Augenbli>en, in die mi< die Aufmerkſamkeiten des Prinzen, ſeine Eiferſucht ebenſo oft wie ſein Kummex und ſeine Klagen verſehßten. Ex wax ſehr liebenswürdig von ſchöner Geſtalt, auch ſein Geſicht wax ſchön, fein und geiſtvoll; dabei war ex voller Sanftmuth und voller Zuvorfommenheit für mi<h und beſonders voll dex rithrendſten Aufmerkſamkeiten. War es nicht natürlih bei meiner großen Unerfahrenheit und Jugend und dex Neuheit eines Gefühls, das ih noh nie gefannt hatte, daß i< ihm wohl wollte, und nachdem ich lange widerſtanden, endlich dieſe Empfindung mehx Macht über mich gewann und ih mi< ihr hingab? Von Natur anſchmiegend und zärtlich, zur Freundſchaft ge= neigt und gegen alle Menſchen offen und zutraulich, war ih vielleicht durch die Art meiner Erziehung etwas verſchüchtert und meine angeborene Nachgiebigkeit und Abhängigkeit von Anderen noh vermehrt worden. Troß ihrer Güte waren meine Eltern doch ſehr ſtreng mit mix und ich war in großer Unterwürſigkeit und Furcht erzogen worden. Dadurch behielt o