Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel
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Meine Mutter hätte ſo leiht mein ganzes Vertrauen haben fönnen, wenn ſie mih liebreich behandelt hätte; aber zu jener Zeit war ſie ſehr ſtreng und unfreundlih gegen mi und flößte mix nux eine knechtiſche Fuxcht ein, ja ih zitterte in einem ſolchen Grade vor ihr, daß ih Alles bis auf die unbedeutendſten Kleinigkeiten aus Angſt vor ihr zu verbergen ſuchte. Fräulein von Bredow, dex in früherer Zeit dex Prinz den Hof gemacht hatte, war ſehr eiferſüchtig auf mich, und Fräulein von Viere>, der ich thörichterweiſe mein Vertrauen ſchenkte, mißbrauchte es und wax nicht ver= ſchwiegen, ſo daß dieſe beiden Gefährtinnen mich glei ſehr in Nöthe und Verlegenheiten aller Art brachten.
Jm Sommer 1746 gingen wix zum erſten Mal mit der hocſeligen Königin nah Oranienburg, was der Prinz vom König zum Geſchenk erhalten hatte, und von doxt aus nah Rheinsberg. Aber wo wir auh waren, der Prinz folgte uns überall und war überall derſelbe. Jeder Morgen brachte mix einen Brief oder ein Billet von ihm, und nichts fonnte ihn von dem einzigen Gedanken zerſtreuen, dex ihn beherrſchte und ihn unglü>li<h machte.
Im October des Jahres 1747 vermählte ſi Fräulein von Viere> mit meinem Bruder, den der König zum Major bei dem Regiment Schorlemmer in Preußen ernannt hatte. Es wax eine alte Jnclination zwiſchen Beiden und anfangs freute ih mih ſehr über ihr Glü>; aber die Zeit ihres Brautſtandes hat mir viele traurige und bittere Stunden gebraht. Mein Bruder, der wie ih ſhon geſagt habe, zehn Jahre ältex war als ih, hatte mit mix niht den Ton eines Freundes, fondern den eines ſtrengen Mentors angenommen, auch verkannte er den Charakter des Prinzen. Kaum hatte