Zwölf Tage auf Montenegro : Heft 1. Reisebericht
124
in engen Schluchten ihrem Tode entgegen. Auf die Hauptmacht bleibt indeſſen der Hauptſturm gerichtet; ununterbrochen lichten die Montenegriner die Reihen der Feinde mit ihren ſelten fehlénden Läufen. Es währt zu lange, die Entſcheidung naht no< immer nicht, den Kämpfern reißt endlich die Geduld aus, und mit dem Schre>en bringenden Rufe: „Wer iſt ein Held!“ ſtürzen ſie ſh in die dichteſten Maſſen. Mit Kolbenſchlägen und Hangyarhieben meßeln ſie im Handgemenge. Schauderhafte Scenén eröffnen ſh! Die Türken halten gewöhnlich nicht lange den fürchterlihen Andrang aus; nur “wenige bleiben ſtandhaft, und wehren ſi< bis zum lebten Athemzuge; die meiſten fliehen. Aber, während ſie vor den auf einen täuſchenden Felsblo> aufgeſeßten montenegriniſchen rothen Kappen erſchre>t zurückbeben und ausweichen wollen, trifft ſie gleich darauf der ſichere Schuß der mit entblößten Häuptern Verborgenen. Alles ſchießt auf ſie; Knaben ſelbſt feuern bisweilen aus unſichtbaren Löchern und ſpringen dann hervor, die lang erſehnten Waffen zu erbeuten ; ja ſelbſt in früheren Kämpfen ſchwer Verwundete, Gelähmte, die ſich auf die Felſen mühſam leiten ließen, wollen zum Siege beitragen, und ſenden manchem Fliehenden die Kugel nah. Doch auh mancher Montenegriner, welcher im ſieghaften Vordringen ſich zu weit unter die Feinde wagte, findet ſeinen Todz meiſtens noh in dem Augenbli>e, da er den Leichnam eines Feindes ſeines Kopfes beraubtz - oder, wenn er im Gedränge, ehe er weicht, aus Angſt vor der Schmach, ein theures Haupt den Feinden zu überlaſſen, ſeines ſhwer verwundeten Bruders Kopf ſelbſt vom Rumpfe trennte, um wenigſtens dieſen noch zu retten. Nichts deſto weniger fällt im Verhältniß zu den Türken ſtets eine auffallend geringere Zahl Montenegriner im Kampfe. So viel der Vladika vermag, ſucht er den Ausbrüchen der blinden Verfolgungswuth und" des Rachedurſtes der ſiegetrunkenen Montenegriner Einhalt zu thun, aber, ſobald er heimgekehrt, vergißt man ſeine menſchlihen Vorſchläge; jede Ortſchaft ſucht ſich an der nächſt gelegenen feindlichen zu rächen, ja es fnüpfèn fi< an jeden Kampf noch lange fortdauernde Reibungen. —
Als ih mi etwa um ſe<s Uhr aus der erzbiſchöflichen Wohnung, nah Spiros Meldung, der ſeine Aufträge in Cattaro