Albanien und die Albanesen : Landschafts- und Charakterbilder : mit vielen Abbildungen

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ein Volk,“ ſo ſ<hrieb im Jahre 1881 Georg vou Gyurkfowics ſehr zutreffend, „das mehr als zweitauſend Sahre dieſelben Wohnſiße einnimmt, es noh immer zu \ feinen Alphabet gebracht hat, dann muß es in ſeiner \ geiſtigen Tätigkeit einem Menſchen gleichen, der kein Ge* dächtnis hat. Jede Ueberlieferung, ob Mythus oder Ge* ſchichte, ob Lied oder Erzählung, muß endlich verloren ‘ gehen, wenn das Mittel fehlt, dem Erinnerungsvermögen i des Volkes durch eine ſchriftliche Aufzeichnung nahzuhelfen.' In dieſem Zuſtande befinden ſi<h ungefähr die heutigen Albaneſen. Sie kennen keine alten Götterſagen; ¡ſie wiſſen nichts davon zu erzählen, wer ſie aus dem | Süden an die Geſtade der Adria geführt, wer ſie dort gegen Römer, Goten, Bulgaren und Osmanen im Laufe der lezten zwei Jahrtauſende verteidigt hat; ja ſelbſt das alltägliche Lied mit dem heiteren oder traurigen Sang pflanzt ſi< nur mit Mühe vom Großvater bis höchſtens auf den Enkel fort. Und was von der Tätigkeit der nationalen Phantaſie über die Gegenwart hinausgeht, verändert bei dex Ueberliefeuung unausgeſeßt ſeine Formen, ſo daß, was ſi< zu Anfang dieſes Jahrhunderts tatſächli>, zugetragen, in dieſem Augenbli>e bereits legendenhafte Formen angenommen hat. Nach alldem iſt es ganz begreiflich, daß es im Gegenſabe zu allen anderen Völkern des Kontinents kein albaneſiſhes Nationalepos gibt, wennglei<h es an Anhaltspunkten dazu in der Geſchicte dieſes kriegeriſchen Volkes niht > fehlen würde. Die prähiſtoriſche und - helleniſhe Zeit, dann jene Alexander des Großen, Julius Cäſars, der Völkerwanderung, die Glanzperiode Skanderbegs und die Paſchazeiten der drei lezten Jahrhunderte, das alles hat feine bleibenden Spuren in der poetiſhen Phantaſie der Arnauten zurücgelaſſen, Wenn ſi<h niht ein Franziskanermön>( als Biograph Elniderbegs gefunden, wenn niht * die na< Calabrien ausgewanderten Albaneſen das An-

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