Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
226 Cine Epiſode aus der Chronik der Stadt Bingen.
nöthigenfalls mit Anwendung von Gewalt durhzuſeben, und daß ſeine geiſtliche Würde ihnen keine Ehrfurcht ein= flößte, ſo war ex zu ſtolz, ſih dur< weitere Bitten und fruchtloſe Vorſtellungen vor ihnen zu erniedrigen. Schein= bar ruhig fagte er: „Gut, es ſei! Aber im Hemd und in bloßen Füßen, wie ih eben aus dem Bett geſprungen hier vor Euch ſtehe, kann i< Euch niht in die Stadt folgen. Laßt mich auf einen Augenbli& in mein Schlafz gemach treten, um mich anzufleiden.“
Dagegen war nichts einzuwenden, ſelbſt die Erbittertſten unter den Verſchworenen begriffen, daß ſie den Doms= probſt niht zwingen durften, halbbekleidet in die Stadt einzuziehen. Sie gaben ihm daher die Thüre ſeines Schlafz gemaches frei. Falkenberg trat raſ in das Zimmer, {loß die Thüre hinter ſih und ſ{<hob leiſe den Riegel von innen vor. Dann fuhr ex in ſeine Schuhe, und ohne ſich weiter Zeit zum Ankleiden zu nehmen, warf er ſeinen großen ſchweren Reitmantel über die Schultern und ſprang, feine Seele Gott befehlend, durch das Fenſter in den Burggraben hinab; der ſtolze Mann wollte lieber ſein Leben vagen, denn als Gefangener unter dem Hohn der auf ſtändiſchen Bürger dur die Straßen dey Stadt geführt werden. In dem weiten Mantel, den er übex der Bruſt zuſammenhielt, fing ſich der Wind und mäßigte die Ge= walt des Falles, ſo daß er troß der beträchtlichen Höhe unverleßt auf dem ſchlammigen Grund des glüdlicherweiſe durch die anhaltende Trotenheit des Sommers nur wenig mit Waſſer gefüllten Burggrabens ankam. Obgleich ihm von dem Stuxz alle Glieder ſchmerzten , froh er doch be=