Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
Novelle von A. v. d. Elbe. E29
ho<hmüthige Perfon, der die Milch nirgends fett und nir= gends billig genug ſei.
Dem Arzte wurde es nicht leicht, die Frau zu überreden, daß gerade hier eine Freundlichkeit gut angewandt ſei, Ex ſchilderte das zarte, leidende Mädchen, fand aber, daß die beiden robuſten alten Leute für die Lage einer armen Gouvernante weniger Theilnahme an- den Tag legten, als für die armen Kranken aus den unteren Volksklaſſen. Frau Bredemann ſette geiſtige Ueberhebung und Spottſucht bei dem Fräulein voraus und meinte, ſie genire ſi, wenn die Fremde im Garten ſiße.
Es bedurfte ſeiner ganzen Ueberredung, der „kranken Blume“ hier eine gütige Aufnahme zu verſchaffen. Als er aber endlich das Herz der Hauêmutter für „ſeinen Fall“ exivärmt, ihr Mitgefühl erregt hatte, machte ſie in ſ{<hönem Eifer die Sache des kranken Mädchens zu der ihren und wäre tapfer genug geweſen, ihren neuen Pflegling den Händen der ho<hmüthigen Regierungsräthin in Perſon zu entreißen. :
Der Medicinalrath ſagte ihr, er beabſichtige, wenn das Wetter morgen ſo gut fei, wie heute, gegen zehn Uhr Me-= lanie ſelbſt im Wagen herüber zu ſchaffen. Sie möge in einer geſ<üßten Laube ein bequemes Pläßchen herrichten und der Kranfen bald ein Glas friſhe Milch bringen. Auch ſolle ſie die Regierungsräthin freundlih empfangen, wenn dieſe ihre Tochter zum Eſſen hole. Sei die Kranke etwas kräftiger, ſo fönne ſie auh na< der Mittagsruhe no< einmal fommen und gegen Abend twiedex ein Glas Milch trinken.
Bibliothek, Jahrg. 1884, Bd, YI. 9