Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
Novelle von A. v. d. Elbe. 179
ladenden Augenſchein gewiſſermaßen zur Parteinahme ge= worben worden ſeien.
Melanie aber fühlte ſi<h von großer Sorge befreit, da ſie wußte, daß der verehrte Arzt ihr Fürſprecher ſein werde.
Währenddeſſen kam die Frau Regierungsräthin etwas früher aus ihrem Kaffee zurü>, als es ſonſt ihre Gewohn= heit war. Da ſie Melanie niht vorfand, gerieth ſie in äußerſt üble Laune, die ſich zur Kriegsbereitſchaft ſteigerte, als ſie ihre Tochter im Bredemann’ſchen Garten an Robert’s Seite den großen Weg herunter ſpazieren ſah.
„Wart Du,“ ſprach ſie zu ſich ſelbſt, „jeht werde ih Dich holen !“
Sie ſchiclte ſi<h eben an, ihren Shawl wieder umzu= legen, als draußen auf dem Flur geklingelt wurde. Hinaus= tretend ſah ſie vor ſi< einen fein, ja feierlih gekleideten jungen Mann.
Den glänzenden Hut etwas verlegen in den Händen drehend, ſtellte ſi<h ihr der Beſuch als Doktor Schmidt vor.
Heller Sonnenſchein flog über das grämli<h verzogene Antliß der Räthin. Sie öffnete ihre Thüre weit und bat den Gaſt, näher zu treten.
„Vermuthlich ſehe ih in Jhnen, gnädige Frau, die ver= ehrungswürdige Briefſtellerin, die Mutter meiner Freundin und Collegin, des Fräuleins Melanie Spör vor mix?“ fragte der junge Doktor und zupfte mit ſichtlichen Zeichen von Beklemmung und Aufregung an ſeiner weißen Kravatte.
Die Regierungsräthin fknixte lächelnd, bot dem Beſucher einen Seſſel an, nahm gegenübex im Sopha Plaß und ſuchte ihn duxr< huldvolles Entgegenkommen zu exmuthigen.