Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
Von Ernſt Hellmuth. 187
hegte, deren Edelknabe er fünf Jahre lang geweſen. Wer echter deutſcher Ritter war oder werden wollte zu jenen Zeiten, der mußte im getreuen Dienſt einer edlen Frau ſich deſſen würdig erweiſen, fie mehr lieben als ſi ſelbſt, und durfte vor keiner Kraftleiſtung zurü>weichen, die ihr ſeine Liebe und Verehrung beweiſen konnte. Dazu war der recenhafte jugendfeurige Lichtenſteiner der re<te Mann und des feſten Willens, zu Chren ſeiner Angebeteten, der Gräfin Agnes v. Meran im Tiroler Lande, das Aeußerſte in Ritterlichkeit und Minnedienſt zu leiſten. Als ex vernahm, daß im Mai des Jahres 1226 viele hundert der edelſten Ritter aus Oeſterreih, Kärnten und Steiermark zu einem Fürſtentag in Frieſah in Kärnten zuſammenkamen, ritt ex dahin, ließ ſi<h vor der Stadt ein Zelt aufſ<hlagen , davor vier Banner und fünfhundert Speere ſte>en, und lag dort mit ſe<hêunddreißig Rittern, um zum edlen Lanzenbrechen, mit wem und wie vielen es auch ſei, fih zu melden. Solcher Herausforderung ging fein Streitbarer mit Wappen aus dem Wege. Gar ſtatt= lih zogen ihrer ſchon am nächſten Morgen von allen Seiten herbei, mit prächtigen Bannern und glänzendem Helmſ<hmut>, und ſtellten ſi<h dem jungen Herrn Ulrich v. Lichtenſtein. Wohl dreißig Speere verſtah er an dem Morgen, und verkleidet, Jedermann unkenntlich, nahm ex dann in prachtvoller Rüſtung an den anderen Rennen Theil, die zehn Tage lang gehalten wurden. Alle bez wunderten des Unbekannten Muth und Gewandtheit, die zuſchauenden Edeldamen verkündeten ſein Lob. Ex aber, der Geprieſene, dachte nux an ſeine hohe Frau und ob