Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 7.
216 Das Phantom des ewigen Friedens.
die rohe Getvalt ſit allein zu Gericht über das Wohl und Wehe der Völker. Wer könnte es leugnen, daß der Krieg tauſendfahe Wunden ſ{<lägt, wer ſehnt nicht des Kampfes Beendigung und die Segnungen des Friedens herbei?
Der Friede iſt, wie Wieland ſagt, ja immer die lebte Abſicht des Krieges! Warum denn kann dex vernunftbegabte Menſch dieſen niht vermeiden? Warum müſſen die Frie=densepochen immer auf's Neue von den gewaltigen Erſchütterungen unterbrochen werden, die wir Krieg heißen? Gibt es kein Mittel, die Fürſten, die Staaten und Völker zur friedlichen Beilegung alles Streites zu beſtimmen? Iſt der „ewige Friede“ wirklich ein Phantom?
Die Weltgeſchichte gibt uns eine deutliche Antwort auf dieſe Frage. Sie zeigt klar, daß Krieg und Frieden in ihrem ewigen Wechſel der Menſchheit unentbehrli< ſind, “daß wie das Gewitter die Luft, der Krieg das Vöblker= bewußtſein reinigt und zu neuer Thatkraft ſtählt; ſie zeigt vor Allem, daß alle Verſuche, einen Zuſtand ewigen Friedens herbeizuführen, an der inneren Unmöglichkeit deſſelben geſcheitert ſind.
Und ‘an dieſen "Verſuchen hat es zu keiner Zeit gefehlt, ſie reichen bis in das graue Alterthum zurü>. Fhnen verdankte Hellas die uralte Einrichtung der Ekechirie, des Gottesfriedens, der für die Zeit der nationalen Feſtſpiele dur ganz Griechenland Waffenruhe gebot, damit jeder Wanderer ſicher zu den heiligen Stätten pilgern konnte; aus ihnen ent= ſprangen die Vertrag8genoſſenſchaften benachbarter Staaten, der Amphiktyonenbund, mit ſeinen Beſtrebungen zu einer