Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Novelle von Schmidl-Weißenſels. 115
Seele geworden war. Und die gute Renate, tvie lieb hatte fie den waeren Schwager! Wie innigen Antheil nahm fie an ihrer Schweſter häuslichem Glüd, das dieſe ihr in dem heiter ſtrahlenden Bli>, in den blühenden Wangen, in lauten Worten und in traulichen Geſtändniſſen beſtätigte!
Damit nichts an dieſem Glücke fehle, war im exſten Fahre ſchon die Che mit einem Kinde geſegnet worden. Man fann ſi die Freude des Großpapa’s und der Tante darüber denken. Waren ſie da, fo ſpielten ſie den ganzen Tag über mit ter leinen Lotte wie mit einer Puppe. Die Mutter natürlich betete ſie an und der Vater hing nicht minder mit leidenſchaftlicher Liebe an dem Kinde. An jedem Morgen, ehe er das Haus verließ, um ſeiner Arbeit nachzugehen, trat er an das Bett dex Kleinen und waidete ſich an dem Anbli>, wie ſie da no< im tiefen Schlafe ſag, mit roſigen, runden Wangen, die zierlichen Fäuſtchen auf der Bettdece — ein Engelsbild. Er ſtand da fo lange, bis ex dur< ſein Liebkoſen das Kind ermuntert halte, oder bis es, wie dur< ſeine brennenden Bli>ke gewe>t, die blauen Aeuglein aufſ<lug, die feinen weißen Aermchen ihm entgegen ſtre>te und halb ſ{laftrunken lallte: „Papa! Papa !“ -
So hatte ſich denn der verwegene Plan des Condéer's vollauf vexwirfliht, und das neue Leben, das er mit einem ru<loſen Betrug na< allen ſeinen anderen Ver= brechen erfüllen wollte, nah den höchſten ſeiner Erwarz= tungen fi< geſtaltet. Friedlih und harmloz, unbearg= wöhnt, angeſehen vielmehr bei feinen Nachbarn und in dex Gemeinde, führte er als Joſeph Horak ein beneidené=-