Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Novelle von Schmidt-Weißenfel8. 117
zu ſein, obwohl er vorher ſchlecht geweſen. Ex hatte ih um ſeines Vorſaßes willen, eine ſchöne Zukunft in der Liebe zu ſeiner Frau und in dem Frieden feiner Familie zu finden, wegen ſeiner Vergangenheit ſelber begnadiät, und dies genügte ihm, ſie als abgethan anzuſehen.
Eines Tages war Toni in dem nahen Konſtanz ge weſen, wo ſie ihre Einkäufe zu beſorgen pflegte, und hatte eines jener Flugblätter der Volfsliteratur mitgebracht, wie ſie damals die Zeitung in Betreff Aufſehen erregender r= eigniſſe erſehien und wie fie von jeher und no< imuer zur Schilderung ſchre>licher Verbrechen und deren blutiger Sühne dur< das Gericht verbreitet werden. Das Blatt wurde von Jedermann getauft, denn es berichtete über die in Mainz exfolgte Hinrichtung des ſo lange am Oberrhein und im Schwarzwald gefürchtet geweſenen Räuberhaupt= manns Schinderhannes, den die Franzoſen endli<h doch erwiſcht hatten. Natürlich wurde bei dieſer Gelegenheit auch die ganze Lebenêgeſchichte des populären Böſewichts mitgetheilt.
Toni nahm daran und an dem Ende des Räubers unter dem Fallbeil in Mainz nicht weniger Jutereſſe, als wie alle Welt, zumal in der Gegend, wo ex ſeit Jahren gehaust hatte. Sie las zu Hanſe das Blatt mit der Spannung, wie es überall geleſen wurde; denn einen be= rühmten Räuber verſeßt das Volt gern in ein romantiſches Licht, und die Lebensverhältniſſe und Schickſale deſſelben erregen auf's Höchſte ſeine Phantaſie. Die Schinderhannes-= geſchichte, welche dur< das ſ<nell verbreitete Flugblatt ſicherlih in jedem Bauernhauſe am Rhein und Bodenſee