Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Novelle von Sc<hmidt-Weißenfels. 119
„Wie?“ fragte Loni nachdenkli<h. „Und er ſollte ſie in einer ſolchen Täuſchung bis zu ſeiner Gefangennahme gelaſſen haben fönnen ?*
„Warum denn niht? Dergleichen iſt doh denftbax, und wenn fie nun auh erſt ſpäter die Wahrheit erfahren haben ſollte — glaubſt Du, Loni, daß ſie als ſeine Frau ihn deswegen etwa ni<t mehr geliebt habe?“
Ex ließ ſeinen Bli> forſchend auf ihren Mienen ruhen. Dieſelben wurden ernſter, ſtreng. Es ſprach eine ſittliche Entrüſtung daraus, wie ſie nun au<h Toni's Worte ver= riethen, als ſie entgegnete: „So ein armes, unerfahrenes Mädchen bei der Hochzeit betrügen — nein, Joſeph, das fönnte die Frau einem Manne nie verzeihen. Wie ver= möchte fie den gar no< zu lieben, der mit der Masfe cines waderen Menſchen um ſie gefreit und nachher ſih ihr als ein ſon längſt vor der Che todeswürdiger BVer= brecher entde>t !“
„Jh weiß es ja niht, Toni. Aber wenn dem nun ſo wäre? Warum denn nicht, da er ſie liebte und Hei= rathen wollte? Hätte er ihr als Freier geſagt, er ſeï der Schinderhannes, würde ſie ihn abgewieſen haben.“
Erſtaunt über die ernſte Gelaſſenheit, in der Horak hier eine ſo eigenthümliche Auffaſſung kund gab, erwiederte Toni: „Da ex ſie liebte — nun, deshalb durfte ex ſie ében nicht täuſchen. Wie iſt es denn denkbar, daß Einer aus Liebe einen Betrug an dem Weibe begehe, mit dem er ſein Leben lang ſich verbindet und im innigſten Vertrauen ver= fehren foll? Willſt Du ſo etwas gar no<h entſchuldigen, oſeph 2