Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
O : Der Condéer,
„D,® rief thr Mann lebhaft, „dergleichen begibt ſich wohl oft, daß Einer ſi in ein Mädchen verliebt und es ¿u ſeiner Frau nimmt, ohne ihm das Geheimniß ſeiner Vergangenheit zu enthüllen. Was geht es das Weib an wenn ihr Mann früher ein Verbrecher tar ?“
Toni's Erſtaunen wuchs. Es kam wie Entrüſtung über fie und ihre ſanften Augen leuchteten auf.
„Hdre, Joſeph, das iſ do<h nimmer Dein Ernſt “ ſagte ſie. „Ja, daß ein Weib aus Liebe ihrem Manne ein Verbrechen verzeiht, welches er während der Che begeht, laſſe ih gelten; aber wenn er vorher noh ungebüßt ein ſ{<uldvolles Daſein offenkundig geführt hat, und ver= ſhiweigt dies einem argloſen Mädchen, das er zur Che begehrt, ſo iſt er ein Schurke ohne Gleichen.“
„Ein Schurke?“ enlfiel es Horaë’s Lippen, und hätte ſie eine Ahnung davon gehabt, wie dies Geſpräch ihren Mann im Innerſten zu erregen begonnen, ſo würde ihr das Erbleichen feiner Wangen auffällig erſchienen ſein. Aber ſo glitten ihre Augen über ſein Geſicht, ohne deſſen verändertes Ausfehen zu beachten. Ex ſuchte auh ſchnell ſich zu meiſtern, und indem er das bedrud>te Blatt toteder vornahm, murmelte er: „Das iſt bald geſagt: ein Schurke |“
Es entſtand ein kurzes Schweigen; der Knecht ſtand mit einem „Gute Nacht!“ auf, die Mägde räumten den Tiſch ab, Toni half dabei. Aber ihre Empfindungen waren no< in einem gewiſſen Aufruhr und deshalb begann ſie von Neuem, und eifriger wie vorher: „Kann denn überhaubt ſol" ein Böſewicht, wie der Schinderhannes war, ſo herzinnigli lieben, al8 es da von ihm erzählt wird?“