Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
16 Der Talisman des Weibes.
ernſten Ermahnungen halber zuweilen grollt. Am liebſten wäre es threr romantiſchen Laune, wenn ih ſie an meinem Herzen Tag und Nacht von einer beſſeren Zeit träumen ließe, wenn i< ihre Thränen mit Küſſen und Schmeiche= ſeien tro>énete oder wenigſtens mich beeilte, in ihre Flage= [ieder einzuſtimmen. Oft ſchon bin ih geneigt geweſen, ihr dies ihrer flehenden Augen halber zu verzeihen, wie weiland ihr Onkel es gethan, aber Dank meiner Liebe für ſie zeigte i<h ihr mehr den Freund als den Liebhaber. So hoffe ih denn das Beſte von dieſem Exil, welches uns Ge= legenheit geben foll, die Charaktere wie die Seelen in ein=ander zu verſchmelzen.
Jh ſagte Dir noh niht, Tante Käthe, daß Jrma ein au8gezeihnetes muſikaliſ<hes Talent beſißt, eine äußerſt ſympathiſche Stimme und einen bewunderungêwürdig ſeelen= vollen Vortrag. Die thörichte Kleine, ſtatt mit dieſen herr= lichen Gaben zufrieden zu ſein, ſie zu meiner und ihrer Freude zu verwerthen, quält ſi< und mih mit dem Wunſche, dieſe Talente zu vervollkommnen, wie ih es vielleicht in einer größeren Stadt erlaubt haben würde. Jh hoffe in= deſſen, dieſe nichtigen Gedanken werden ſammt und ſonders ſchwinden, wenn Jrma ihre Beſtimmung als Weib und Gattin erfüllt hat. Laß mich mit diefer frohen Hoffnung ſ<hließen, Tante Käthe und empfange einen herzlichen Gruß von Deinem Dich werthſ<häßenden Neffen
Hans Meiſchi>.“
Ex hatte niht übertrieben. Jrma war dur< und durh eine künſtleriſh angelegte Natur, ſo daß Meiſchi> einſt im Scherz geſagt, wenn er niht ganz genau