Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
_ Roman von Georg Hartwig. 1E7
ivüßte, daß ihre Voreltern ſolide Staatsbiürger geweſen ſeien, würde er Künſtlerblut in ihren Adern argwöhnen. Dieſe Anlage prägte ſich au< in der äußeren Harmonie aus, mit wel<er ſie ihre Umgebung und ſich ſelber zu ſ<müden verſtand. Nie beleidigten grelle Farben in ihrer Nähe, und fügte Jrma’s Eigentwille ſolche zuſammen, fo entzüdte und überraſchte die Wahl durch den genialen Hauch, der Allem anhaftete, was ihre Hand berührte. Noch frei= lich waren dergleichen Regungen nur inſtinktiv, blißartig hervorgebrochen, um unter dem ernſten Auge des Bräuti= gams und Gatten beſchämt wieder zu verſchwinden. Ja, die Zeit fam, wo alles Empfinden dem heißeſten Liebe8= rauſche wich, als fönnte und müßte dieſer ewig währen. So hatte Meiſchi> ganz Recht, wenn ex feſt überzeugt war, daß er Jrma's Glü> ausſchließli<h in Händen hielt.
Unter den Augen eines geiſtig hochbedeutenden Oheims durfte Jrma, früh verwaist, erwachſen. Sein Haus, die Heimſtätte aller ſ{<önen Künſte, athmete eine äſthetiſch reine, fritiſ< fühle und erfriſchende Luft. Jn dieſer reifte Irma zur Jungfrau heran. Jhre muſikaliſche Begabung war der Gegenſtand ſorglichſter Pflege ſeitens des entzücften Oheims, und ſeine Freunde, berufene Künſtler, hatten ſich bemüht, die zarten Triebe eiſrigſt hervorzulocfen. Dazu ſhiwamm die lebensfrohe Jrma ſorglos auf den hochgehenden ſ<äumenden Wogen der Weltſtadt dahin, unbekümmert um das Heute, unbekümmert um das Morgen.
n dieſem glanzvollen Lebensrahmen trat ihr Meiſchick mit feinem ungewohnten Ernſt entgegen. Kindlich rein, bewahrt vox verliebten Launen, fühlte Jrma ſi wie be=
Bibliothek. Jahrg. 1886, Bd. LT. 2