Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
28 Der Talisman des Weibes.
„Das Vild iſt nicht ſ{<le<t,“ erwiederte fie gereizt. „Jh fönnte es jedem Maler getroſt zur Begutachtung vorlegen.“
„Die Begutachtung iſt lediglih meine Sache, und ih nenne ſolche Zeitvergeudung Thorheit!“ Als fie haſtig etwas entgegnen wollte, fiel ex ihr ziemli<h {rof in's Wort: „Haſt Du Dein Verſprechen gehalten in Betreff meines Schreibtiſches? Nein! Er iſt heute noch ebenſo unſauber wie geſtern !“
„S< will ſofort —“
„Vein, das wirſt Du niht!“ unterbrach er ſie aber_mals herbe. „Ein Mann erbittet niht zweimal, was ſeiner Gattin die liebſte Pflicht ſein müßte. J< werde es jebt ſelbſt thun, da ih niht will, daß die neugierige Perſon draußen in meinen Papieren herumſtöbert.“
„O laß mih!“ bat Jrma, tief beſchämt ihm nach-= cilend und ſeine Hand ergreifend. „J<h vergaß —“
Er mate ſich ſrei. „Das Eſſen ſteht auf dem Tiſch und Du biſt no< im Morgenro>. Wix wollen doch folche Künſtlergewohnheiten hier lieber niht einführen. Sei ſo gut und beeile Dich |“ :
Jhre Arme ſanken muthlos herab, regungsloz blidte ſie ihm nah. So hatte ex noh nie mit ihr geſprochen. Und was hatte ſie denn Arges verbrohen? Jhr Oheim würde das Mittageſſen gern vergeſſen und mit Jrma über ihren talentvollen Verſuch herzlich gelacht haben. Das Herz wurde ihr ſchwer, o wie ſchwer! Jn Augenbli&en ivie dieſer überkam ſie zuweilen blißartig das Verſtändniß ſür ihres Gatten Charakter und damit eine Crfenutniß