Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Roman von Georg Hartwig. SiI
Dex Bürgermeiſter hatte ſoeben in der Vorderſtube die bſafende Petroleumlampe niedriger geſchraubt und auf Wunſch ſeiner Gattin die Bratenſauce gekoſtet, als dieſe ſelbſt die leßte Hand an's Wert legte und Räuchexpapier über dem Cylinder verfohlen ließ. Behagli<h und fauber vräſentirten ſich alle Räume, in welchen uralter Sitte gez mäß faſt jeder Gegenſtand mit eigenhändig gehäfelten Schubde>en umhangen war.
Die Geſellſchaft verſammelte ſich allgemach, und hatte man ſi< auh während des Tages ſchon fünfmal begrüßt, hier an dieſer Stelle, weißbehandſhuht und mit Blumen im Haar, ſpendete man ſi gegenſeitig die ſteifſten Kom= plimente, als ſähe man einander heute zum erſten Mal. So forderte es die Etifette. Gegenſtand der ſlüſternden Unterhaltung, aus welcher die tiefe Stimme der Gaſt= geberin zuweilen hervortönte, wax ſelbſtverſtändlich das Meiſchiſche Ehepaar. Sie hatten angenommen, aber wahrſcheinlich famen fie erſt um Mitternacht, wie das in der Reſidenz ja Sitte ſein ſollte. Jedenfalls mußte man es als eine Nichtachtung ſeitens der jungen Frau betrachten, daß ſie die einzige Friſeurin des Städtchens heute nicht in Nahrung geſeht hatte, wie dies ſämmtliche Damen unz weigerli<h zu thun pflegten.
Jebt rauſchte es im Vorzimmer, gerade in dem Mo= ment, als die Apothekerin ſich wunderte, warum die Bürgermeiſterin den Thee niht ohne Meiſchi>*s Anweſen= Heit verabfolgen laſſe. Das waren ſie. Sofort wandten ſih faſt fämmlliche Damenköpfe mit faſt hörbarem Nu> gegen die Thüre, während die Herren bis zum