Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
66 Der Talisman des Weibes.
ließen, als ihm das demiithigende Bewußtſein ihrer mora= ſchen Schwäche?
„Dex Graf —“ hauchte ſie, an der Schwelle ſtehen bleibend. „Hans — vergib!“
„Laß das jebt!“ fagte er ablenkend. „Morgen ſprechen wir weiter darüber!“ j
„I< liebe Dich, Hans! O, glaube es do<h!“ Ein ganz anderes, plößlich ſie ergreifendes Gefühl preßte ihr dieſes unvermittelte Geſtändniß ab als das Bewußtſein, ez zeitweilig niht gethan zu haben.
„Jh glaube es ja, Kind!“ beruhigte er ſie lächelnd. „Morgen, wenn Du ruhig biſt, werden wir uns {nell wieder verſtändigen.“
Jhr heißer Blik tauchte leidenſchaftlich in den ſeinen. „Jh bin Dein Kind niht! Mag es niht ſein! Fühle,“ ſie riß ſeine Hand an ihr klopfendes Herz, „fühle, ob dieſer Schlag mehr verheißt als Unterwürfigkeit! Du kennſt mi<h niht, Hans, o, Du willſt mich niht kennen! Könnteſt Du ſonſt wie ein Marmorbild mir gegenüber ſtehen, die ih Alles, was ih beſiße, Jugend, Schönheit, Leib und Seele zu Deinen Füßen niederlege? Wo iſt der Mann, deſſen Eigentille ihm höhex gilt als die Sehn= ſuchtsfeufzer feines Weibes? Jſt meine Liebe niht mehr werth als Gewiſſen8grübelei? Warum ſ{ließeſt Du mich jeßt niht in die Arme und läßt mich betteln um einen Kuß?“ Sie warf ſih ho< athmend an ſeine Bruſt.
Was ſie bis dahin nur ſchüchtern gedacht, jeßt wagte JÎrma es bereits einzugeſtehen. Ohne Ueberlegung offen= barte ſie ihr innerſtes Denken einem Manne, welchen ſie