Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
Roman von Georg Hartwig. 81
Antliß, während ihre feuchten, ſ<hwarzen Augen zärtlich abwehrend an mir hingen. „Lebe wohl!“ Hier ſtieß der Kahn auf Ufergrund. Wix erhoben uns. Stüßend ſlang i< meinen Arm um ihre ſhwankende Geſtalt, da plößlih wandte ſie das Haupt, ein Schauer überrieſelte mich, dem glühende Wonne folgte — Gaëtannina hatte mit geküßt, bevor fie haſtig an's Land ſprang und davon eilte, um hinter flimmernden Oleanderbüſchen zu verſ<winden."
„Und Sie ſahen die Fremde nicht wieder?“
Freiberg bli>te in Erinnerung verſunken ſ{weigend vor fich nieder, bevor er wie bittend die Hand ſeiner Zuhörerin ergriff. „Es iſt ſtrafbar von mix gehandelt, Fhre Geduld zu ermüden, aber die Beichte 1ſt no< nicht zu Ende. Ja, ih ſah Gaëtannina wieder — in Florenz.“
„Und bis dahin?“ forſchte Jrma geſpannt.
„Bis dahin hatte ih mix das Verſprechen abgenom= men, meinen Sommernachtêtraum wie eine Perle in dem Schilfgrunde des Lago Maggiore zu verſenken. Jh allein wußte um die Stätte und konnte, ſo oft mi die Sehnſucht in ſtillen Nächten dahin zurü>trug, verſuchen, den Schaß zu heben. Meine Nachforſchungen hatten bei dem ungeheuren Menſchenverkehrx jener Tage zu feinem Reſultat geführt.
Monate waren verfloſſen. J<h betrat Florenz, das italieniſche Athen. Wie ein Trunkener ſah ih hernieder auf die goldenen Fluthen des Arno, ſah ewige Blumen= gefilde ſeine Ufer fränzen und beneidete zum erſten Male einen Menſchen, der zu meinem Sibe hinaufſtieg, alle aus= geſtreuten Edelſteine der Natux in die engen Grenzen ſei= ner Zeichenmappe einzuſammeln.“
Bibliothek. Jahrg. 1886. Bd. I, 6