Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 1.
82 Dex Talisman des Weibes,
„Sie wollten von Gaëtannina erzühlen ,“ unterbrach ihn Jrma ablentend. „Wo fanden Sie dieſelbe wieder 2“
„In dex Lorenzoktirche. Durch den ſhwarzen S<hleiex, welcher ihr Haupt verhüllte, erfannie i< ſchnell die ge= liebten Züge. Abwartend, bis ihre Andacht vollendet ſei, näherte ih mich ihr erſt am Portal. Beim Lon meiner Stimme ging ein Zu>en dur ihre Glieder, ſie mußte ſi an den Pfeiler lehnen, um niht niederzuſinken. Jm Nu ſtand i< an ihrer Seite. Sie wehrte meine Hand nicht von ſi<h ab. Wie gebannt ſchritten wir neben einander her —“ Der Graf unterbrach ſeine Erzählung, bis das Mädchen die Lampe entzündet hatte.
Irma wiegte ſi<h leiſe in ihrem Schaukelſtuhl, als wolle ſie ihre Ungeduld dadurch beſchwichtigen.
„Am folgenden Abend und viele Abende dana trafen wix un83 in Gaëtannina’8s verſ<hwiegenem Garten. Dort, im Schatten hundertjähriger Pinien und Platanen, erſchien ſie mir, das Haupt mit duftigen Roſen geſ<müdt, die edle, blühende Geſtalt verführeriſ<h und doh ſo keuſ<h um= hüllt. Unſere Augen glühten ineinander, ſprachlos, ge= dankenlos ſ<linften wir das ſüße Gift der Liebe ein. Obgleich Toskanerin, in deren Adern heißes Blut rollte, das für Momente in flammender Entzü>kung übexquoll, wollte doh eine tiefe Melancholie niht von Gaëtannina weichen. Noch widerſtand ſie meinem Flehen, aber in der Stunde, welche uns zum leßten Male beſeligen ſollte, riß ein leidenſchaftlicher Shmerz ihr das Bekenntniß der Liebe zu mix von den Lippen. Gaëtannina war die Tochter eines edlen Hauſes, in früheſter Jugend ſchon einem Vetter