Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 13.

Novelle von Schmidt-Weißenfels. 141

Graf Pahlen hatte ſich inzwiſchen, wie Zax Paul ihm am Tage vorher befohlen, zur Audienz bei- demſelben begeben.

Dex Monarch hatte wieder feine Feldmarſchalluniform angelegt und empfing ſeinen oberſten Offizier anfänglich in der ſtrengen Haltung, die ex im militäriſchen Dienſte zu beobachten pflegte. Ex ließ ſi< Rapport abſtatten über Alles, was in Petersburgs Garniſon über Nacht Wichtiges vorgefallen war. Was Pahlen für gut hielt, ihm zu bez richten, theilte er ihm mit; auf die gewöhnlichen Fragen Paul's, ob ex no< mehx zu berichten, antwortete ex mit nein.

„Weiter nichts?“ drang troßdem der Kaiſer und in einer ſo ſcharfen Tonart in Pahlen, daß derſelbe ſtußte.

„Nein, Sire,“ erwiederte ex gleichwohl.

„Warum ſchon beim Großfürſten Alexander geweſen?“ -

Es überraſchte den General gar niht, aus dieſer Frage des Kaiſers zu erſehen, daß derſelbe von ſeinen Palaſt= ſpionen ſchon über den Beſuch unterrichtet war, den ex auf dem anderen Flügel des Schloſſes kurz zuvor gemacht.

„Ah,“ verſeßte ex leichthin, „die Angelegenheit iſ no< niht reif zum Rapport, Sire.“

„Angelegenheit? Alſo eine Angelegenheit, in der mein Sohn Alexander eine Rolle ſpielt, ohne daß ih es weiß. Geheimniſſe alſo, niht wahr?“

Der Kaiſer gab ſeine ſteife militäriſhe Haltung auf und begann im Zimmer auf und nieder zu ſchreiten: Das Mißtrauen, in dem er ſich fort und fort quälte, fam mit neuer Gewalt über ſein Gemüth. Pahlen kannte dieſe Zu-= ſtände. Es galt ein leßtes Mal, dem Ausbruch von wildem Zorn und tyranniſchen Einfällen zu begegnen.