Bitef

durch Hans Runge, einem Brecht-Mitarbeiter, der ihm eine Stelle als Beleuchter am Deutschen Theater verschafft. In seiner Freizeit arbeitet Seidel in seinem „Gewerberaum“, einem intakten Zimmer in einer Ruine. Dort entsteht sein erstes Stück „Kondensmilchpanorama“. Jochen Ziller produzierte „Kondensmilchpanoram“ in Schwerin. Nach langer Wartezeit kann Seidel eine vernünftige Wohnung beziehen und wird „DramaturgieMitarbeiter“ am Deutschen Theater. Sein Individualismus und seine kritische Distanz zum herrschenden, angepaßten DDR-Mentalität lassen ihn in die Rolle des vermeintlichen Anarchisten geraten, die ihm derartige Schwierigkeiten mit den Behörden bringt, daß ihm die Ausreise zum Empfang des Preises der Frankfurter Autorenstiftung versagt wurde. Er verweigert der allmächtigen Behörde den erwarteten „normalen Respekt und die allerorts praktizierte Demut“. Doch gelang es der Theaterleitung und dem Regisseur Jochen Ziller, „Jochen Schanotta“, Seidels zweites Stück, am Berliner Ensemble herauszubringen. Damit war für das Stück über den zur Flucht aus den Zwängen der DDR bereiten Schüler Jochen Schanotta der Weg frei zur Aufführung im Westen. Das Auswahlgremium der Mülheimer Theatertage „Stücke ’B7“ nominierte Seidels Stück in der Aufführung des Basler Theaters. Zwar darf

die DDR-Presse nicht über dieses Stück berichten, doch ermöglichte die Berliner Inszenierung Georg Seidel die Weiterarbeit. Vereinsamung im Netz gesellschaftlicher Zwänge, im Irrgarten des Staates, der Ordnung, werden mit autobiographischen Erfahrungen versetzt, zum Schwerpunkt der Arbeiten des mittlerweile bekannten Autors. Sein Stück Carmen Kittel, 1990 im Wettbewerb um den Mülheimer Dramatikerpreis, schildert die Geschichte der Beschädigungen durch die Gesellschaft und den unmittelbaren Lebenskreis am Beispiel der eigentlich völlig normalen Carmen. Sie verfügt allerdings nicht über die Fähigkeiten, die ihr ein Überleben in der Durchschnittsgesellschaft ermöglichen. Sie bleibt vereinsamt, zerstört - in einem selbstgezogenen Schutzkreis. Sprachloser und verzweifelter gefangen in dem Teufelskreis der sich selbst erneuernden Entäußerung des Individuums. Georg Seidel hat in seinen Stücken eine Sehnsucht nach einer anderen Welt beschrieben, eine Hoffnung geäußert, in der der einzelne Mensch die Chance erhält, aus der unfreiwilligen Existenz am Rande der Gesellschaft in deren belebtes, menschliches Zentrum zu kommen. Die selbst erlebte Entfremdung und Isolation mit all ihren