Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
500 Vierte Ordnung: Naubtiere; erſte Familie: Katen.
welcher ihn, als er no< Knabe war, an der Bruſt gepa>t und fortgeſchleppt, aber doh wieder losgelaſſen hatte, als ſeine Mutter mit dem Wildmeſſer auf ihn losgeſtürzt war. Jn den Urwäldern am Uſer der peruaniſchen Anden wohnt, laut Tſchudi, die Unze am liebſten in der Nähe der Dörfer und umkreiſt ſie allnächtlih, entführt auch Hunde, Schweine und manchmal Menſchen. Weit entfernt, ſich vor den lebteren zu fürchten, ſtürzt ſie ſih auf einzelne und dringt, wenn der Hunger ſie treibt, ſelbſt bei Tage in die Walddörfer. Kappler, der volle 45 Fahre in Guayana verlebte, ſagt: „Man hat übrigens bis auf einen einzelnen neueren Fall kein Beiſpiel, daß der Jaguar einen Menſchen angefallen oder getötet hätte, wiewohl er auf Pflanzungen oft Vieh und Schweine ſchlägt.“ Nach alle dieſem darf man wohl annehmen, daß die Unze nicht in allen Gebieten Menſchen gleich ſtark gefährdet daß ſie überhaupt, wie der Tiger, vom Wilde lebt, zum Viehräuber wird und nur vereinzelt und bedingungsweiſe ſih das Menſchenfreſſen angewöhnt.
Der Jaguar bleibt an einem und demſelben Aufenthaltsorte, ſolange er hier etwas erbeuten kann und man ihn niht gar zu ſehr beunruhigt. Wird ihm die Nahrung knapp oder die Verfolgung ſeitens der Menſchen zu arg, ſo verläßt er die Gegend und zicht in eine andere. Seine Wanderungen führt er während der Nachtzeit aus. Er ſcheut ſi dabei niht, durch die bevölkertſten Gegenden zu ſtreifen; ſelbſt der breiteſte Strom hält ihn nicht auf. Er iſt ein treffliher Shwimmer.
Man ſollte glauben, ein ſ{wimmender Jaguar wäre leicht zu töten; allein er iſ auh im Waſſer no< furchtbar. Nur gewandte Kahnführer getrauen ih ihn anzugreifen; denn wenn er ſi verfolgt ſieht oder gar verwundet fühlt, wendet er ſi< man<hmal gegen den Nachen. „F< war“, erzählt Rengger, „im Jahre 1819 kurz nah meiner Ankunft in Aſſuncion Augenzeuge eines zum Glü>e bloß läherlihen Auftrittes bei einer ſolchen Jagd. Es kam ein Jaguar vom jenſeitigen Ufer des Stromes dahergeſhwommen. Drei Schiffsleute, Ausländer, ſprangen, troß der Warnung eines Paraguayers, mit einer geladenen Flinte in ihren Nachen und ruderten dem Tiere entgegen. Jn einer Entfernung von 1—2 m feuerte der vorderſte die Flinte auf den Jaguar ab und verwundete ihn. Dieſer aber ergriff, ehe ſichs die Schiffer verſahen, den Rand des Nachens und ſtieg tros aller Ruder- und Kolbenſ<läge an Bord. Nun blieb den Schiffsleuten nihts übrig, als ins Waſſer zu ſpringen und ſich ans Land zu retten. Der Jaguar ſette ſi< im Kahne nieder und ließ ſich wohlgemut ſtromabwärts treiben, bis er, von einigen anderen Jägern verfolgt, ſeinerſeits ins Waſſer ſprang und das nahe Ufer gewann.
„Das jährliche Anſchwellen der Ströme und Flüſſe vertreibt die Jaguare von den Jnſeln und den mit Wald bewachſenen Ufern, ſo daß ſie ſich zu dieſer Zeit mehr den bewohnten Gegenden nähern und Schaden unter Menſchen und Vieh anrihten. Sind die Überſ<hwemmungen groß, ſo iſt es niht ſelten, einen Jaguar mitten in einer am hohen Ufer gelegenen Stadt oder in einem Dorfe zu ſehen. Jn Villa Real wurde im Jahre 1819 einer getötet, in der Hauptſtadt im Fahre 1820 ein anderer, zwei in Villa del Pilar. Als wir bei hohem Waſſerſtande im Jahre 1825 in Santa Fé landeten, erzählte man uns, daß vor wenigen Tagen ein Franziskanermönch, als ex eben die Frühmeſſe leſen wollte, unter der Thüre der Sakriſtei von einem Jaguar zerriſſen worden ſei. Es geſchieht übrigens nicht immer ein Unglü, wenn ein ſolches Raubtier in eine Stadt ſich verirrt; denn das Gebell der verfolgenden Hunde und der Zulauf von Menſchen verwirren dasſelbe ſo ſehr, daß es ſich zu verbergen ſucht. Die Wunden, welche der Jaguar beibringt, ſind immer höchſt gefährlich, niht nux ihrer Tiefe, ſondern auch ihrer Art wegen. Weder ſeine Zähne noch ſeine Klauen ſind ſehr ſpiß und ſcharf, und ſo muß bei jeder Wunde Quetſchung und Zerreißung zugleich ſtattfinden. Von ſolchen Verwundungen. aber iſt in jenen heißen Ländern und bei dem gänzlihen Mangel an ärztliher Hilfe der Starrkrampf die gewöhnliche Folge.“