Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/1
Jaguar: Wanderungen. Fortpflanzung. Gefangenleben, 501
Den größten Teil des Jahres lebt der Jaguar, nah Nengg ers Beobachtungen, allein; in den Monaten Auguſt und September aber, wenn die Begattungszeit eintritt, ſuchen ſich beide Geſchlechter auf. „Treffen ſi zur Begattungszeit mehrere Männchen bei einem Weibden, ſo entſteht hier und da ein Kampf zwiſchen ihnen, obwohl ſih der ſ{hwächere Teil gewöhnlih von ſelbſt zurückzieht. Beide Geſchlechter bleiben nicht lange beiſammen, höchſtens 4—5 Wochen, und trennen ſi<h dann wieder. Während dieſer Zeit ſind ſie für den Menſchen gefährlich. Die Tragezeit des Jaguars kenne ih nicht beſtimmt; jedoh nach der Begattungszeit und der Zeit, in welcher man ſchon Junge findet, mag ſie 3—3!/2 Monate ſein. Das Weibchen wirft gewöhnlich 2, ſelten 3 Junge und zwar im undurchdringlichſten Dickichte des Waldes oder in einer Grube unter einem halbentwurzelten Baume. Die Mutter entfernt ſih in den erſten Tagen nie weit von ihren Jungen und ſ{leppt ſie, ſobald ſie dieſelben nicht ſicher glaubt, im Maule in ein anderes Lager. Überhaupt ſcheint ihre Mutterliebe ſehr groß zu ſein: ſie verteidigt die Jungen mit einer Art von Wut und ſoll ſtundenweit den Räuber derſelben brüllend verfolgen. Nach ungefähr 6 Wochen wird ſie ſhon von der jungen Brut auf ihren Streifereien begleitet. Anfangs bleibt dieſe im Dickichte verſte>t, während die Mutter jagt, ſpäter aber legt ſie ſih in Geſellſchaft mit ihr auf die Lauer. Sind die Jungen zu der Größe eines gewöhnlihen Hühnerhundes herangewachſen, ſo werden ſie von ihrer Muttex verlaſſen, bleiben aber oft noch einige Zeit bei einander.“ Fn der Färbung unterſcheiden ſie ſih von den Alten; DO ſchon im ſiebenten Monate ſind ſie E gleich.
Nicht ſelten zieht man junge Jaguare in Häuſern auf. Dazu müſſen ſie aber als Säuglinge eingefangen werden, weil ſie ſonſt niht mehr ſih bändigen laſſen. Sie ſpielen mit jungen Hunden und Kagen, beſonders gern aber mit hölzernen Kugeln. Fhre Bewegungen ſind leiht und lebhaft. Sie lernen ihren Wärter ſehr gut kennen, ſuchen ihn auf und zeigen Freude bei feinem Wiederſehen. Feder Gegenſtand, welcher ſih bewegt, zieht ihre Aufmerkſamkeit auf ſih. Sogleich duen ſie ſih nieder, bewegen ihren Schwanz und machen zum Sprunge ſi< fertig. Wenn ſie Hunger und Durſt oder Langeweile haben, laſſen ſie einen cigenen miauenden Ton hören, doch bloß, ſolange ſie no< jung ſind; denn von den Alten vernimmt man ihn niht mehr. Niemals hört man ſie in der C Ce brüllen. Beim Freſſen knurren ſie, beſonders wenn jemand ſih ihnen nähert. An Waſſer darf man ſie niht Mangel leiden laſſen. Zum Freſſen legen ſie ſih nieder, halten mit beiden Tatzen das Fleiſh, biegen den Kopf auf die Seite, um auch die Ba>kenzähne gebrauchen zu können, und tauen nah und na< Stücke davon ab. Nicht ſtarke Knochen freſſen ſie, von großen dagegen bloß die Gelenke. Nach der Mahlzeit legen ſih zahme FJaguare gern in den Schatten und ſhlafen, und haben ſie ſih ſatt gefreſſen, ſo erzürnen ſie ſich niht ſo leiht, und man kann dann mit ihnen ſpielen; au<h Haustiere und Hausgeflügel, welches ihnen ſonſt niht nahen darf, können dann unbeſchadet an ihnen vorbeigehen. Man hält die gefangenen in Südamerika niht in Käfigen, ſondern bindet ſie mit einem ledernen Seile im Haushofe oder auh vor dem Hauſe unter einem Pomeranzenbaume an. Nie fällt es ihnen ein, am Seile zu nagen. FJhr Atem hat, wie bei faſt allen Raubtieren, einen üblen Geruch, ebenſo das friſche Fell, das Fleiſ<h und das Fett, der Harn und der Kot.
Schon ganz junge Faguare haben ſcharfe und ſpie Zähne; im erſten Jahre werden dieſelben gewechſelt, nah 2—8 Jahren haben ſie ihre volle Größe erreiht. Sobald die Unzen ihre Kraft fühlen, gegen das dritte Fahr hin und noch früher, ermangeln ſie niht, zum Schaden ihres Herrn von ihren Zähnen Gebrauch zu machen. Vergebens werden ihnen die E>- und Schneidezähne bis auf die Wurzel abgefeilt und die Klauen von Zeit zu Zeit beſhnitten: ſie können vermöge ihrer großen Kraft auh ohne Waffen Unglück ſtiften. So ſah Rengger einen zahmen und in dieſer Weiſe verſtümmelten Jaguar, auf welchen die Kinder des Hauſes ohne Scheu ſih zu ſezen pflegten, ſeine ſonſt geliebte Wärterin, ein