Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

524 , Siebente Drdnung: Nager; fünfte Familie: Mäuſe.

Bau zu graben, in welchem ſie den Sommer zu verleben gedenken, und ſobald dieſer fertig iſt, paaren ſih die Geſhlehter. Der Sommerbau iſt gewöhnlih nux 30, höchſtens 60 cm tief, und der Keſſel mit einem weichen Neſte ausgefüttert, neben welhem dann eine einzige Kammer angelegt wird, falls es viel Saatgetreide in der Umgegend gibt. Ende April begeben ſi< die Männchen in die Behauſung der Weibchen und leben, wie es ſcheint, friedlih einige Tage mit ihnen; beide zeigen ſogar inſofern eine gewiſſe Anhänglichkeit aneinander, als ſie ſich gegenſeitig beiſtehen, wenn es gilt, eines oder das andere zu verteidigen. Kommen zwei Männchen zu einem Weibchen, ſo beginnt ein heftiger Zweikampf, bis der ſ{hwächere der Gegner unterliegt oder entweicht: man findet oft genug Rammler, welche auf ihrem Leibe tiefe Narben tragen, die Zeichen von ſolchem Strauß in Liebesſachen. Jn welcher Weiſe die Begattung vor ſi geht, iſt niht bekannt. Man hat ſi< vergebli<h bemüht, dies an zahmen zu erforſchen, und weiß nur, daß das unartige Weibchen, ſobald es ſih befruchtet fühlt, den Rammler dur< Güte oder dur<h Gewalt ſofort wieder aus ſeinem Baue entfernt. Von dieſem Augenbli>e an herrſht unter den vor kurzem ſo zärtlichen Liebesleuten dieſelbe Erbitterung wie gegen jedes andere fremde Geſ{höpf.

Etwa 4—5 Wochen nach der Begattung, zum erſten Male gegen Ende des Mai, zum zweiten Male im Juli, wirft das Weibchen in ſeinem weih und warm ausgefütterten Neſte 6—18 Zunge. Dieſe kommen na>t und blind zur Welt, bringen aber ihre Zähne ſhon mit, wachſen auch außerordentlih ſ{<nell. Unmittelbar nach der Geburt, nachdem ſie abgetro>net ſind, ſehen ſie faſt blutrot aus und laſſen ein Gewimmer vernehmen, wie es fleine Hunde auszuſtoßen pflegen. Sie erhalten mit dem zweiten oder dritten Tage ein feines Flaumhaar, welches ſih aber bald verdichtet und den ganzen Körper einhüllt. Ungefähr mit dem achten oder neunten Tage ihres Lebens öffnen ſie die Augen und beginnen nun auh im Neſte umherzukriehen. Die Mutter behandelt ihre Brut mit viel Liebe, duldet es auh, daß man ihr andere Junge zum Säugen anlegt, ſelbſt wenn dieſe nicht die gleiche Größe wie ihre Kinder haben. Am vierzehnten Tage ihres Alters fangen die jungen Hamſter ſhon zu wühlen an, und ſobald ſie dies können, denkt die unfreundlite Alte daran, ſie ſelbſtändig zu machen, d. h. ſie jagt ſie einfah aus dem Baue und zwingt ſie, auf eigene Fauſt für ihren Unterhalt zu ſorgen. Dies ſcheint den Hamſterhen nicht eben ſhwer zu werden; denn bereits mit dem fünften oder ſe<hſten Tage, wenn ſie kaum behaart und noch vollſtändig blind find, wiſſen ſie re<t hübſch ein Weizenkorn zwiſchen ihre Vorderpfötchen zu faſſen und die ſcharfen Zähnchen zu benutzen. Doch brauchen ſie immerhin ein ganzes Fahr, che ſie ihre vollſtändige Größe erreihen; aber es ſcheint faſt, daß im Mai geborene Weibchen im Hexrbſte bereits zur Fortpflanzung befähigt ſind. Bei Gefahr huſchen die kleinen Tierchen, ſo erbärmlich ſie ausſehen, behende im Baue umher, und das eine hat ſich bald aufs geſchi>teſte in dieſem, das andere in jenem Winkel zu verbergen gewußt, wenn auch die meiſten der Alten nachgefolgt ſind. Dieſe, ſonſt ſo wütend und boshaft, ſo mutig und tapfer, zeigt ſih feig, wenn es gelten ſollte, ihre Brut zu verteidigen, entflieht auf erbärmliche Weiſe, ſobald ſie ſpürt, daß man ihr oder jenen nahe kommt, und verkriecht ſih mit ihren Sprößlingen in das blinde Ende eines Ganges, welchen ſie ſo ſhnell wie möglih nah dem Neſte zu mit Erde zu verſtopfen ſucht, oder mit erſtaunlicher Geſchi>lichkeit und Schnelligkeit weitergräbt. Die Jungen folgen ihr dur< di> und dünn, durc den Hagel von Erde und Sand, den ſie hinter ſih wirft.

Sobald die Feldfrüchte ausreifen, haben die Hamſter viel zu thun mit der Ernte. Feder einzelne ſ{leppt, falls er es vermag, bis zu einem Zentner an Körnern in ſeinen Bau. Leinknoten, große Puffbohnen und Erbſen ſcheinen allen übrigen Früchten vorgezogen zu werden. Ein Hamſter, welcher in einem Flachsſtü>e liegt, wird nicht leicht etwas anderes einernten als die Knoten; ebenſo iſt es im Erbſenfelde; doh wiſſen ſi< die Tiere re<t wohl în