Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Hamſter: Fortpflanzung. Cinheimſen. Winterſchlaf. 525

andere Arten von Feldfrüchten zu ſhi>en. Man hat beobachtet, daß die alten Rammler, welche Zeit genug haben, das Getreide ausleſen, es viel ſorgfältiger aufſchihten als die Hamſterweibchen, welche na<h der lezten Brut noh raſh einen Bau graben und hier die Speicher füllen müſſen. Nur wo der Hamſter ganz ungeſtört iſt, verrichtet er ſeine Ernte bei Tage; gewöhnlich iſt die erſte Hälfte der Nacht und der Morgen vor Sonnenaufgang ſeine Arbeitszeit. Ex biegt mit den Vorderhänden die hohen Halme um, ſchneidet mit einem Biſſe die Ähre ab, faßt ſie mit den Pfoten, dreht ſie ein paarmal hin und her und hat ſie nun nicht bloß entkörnt, ſondern die Körner auch gleich in den Baentaſchen geborgen. So werden die weiten Schleppſäke gefüllt bis zum Übermaße; man<hmal ſchafft einer an 50 & Körner auf einmal na< Hauſe. Ein ſo beladener Hamſter ſieht höchſt ſpaßhaſt aus und iſt das ungeſchi>teſte Tier der Welt. Man kann ihn mit den Händen ohne Furcht anfaſſen; denn die vollgepfropften Taſchen hindern ihn am Beißen; nur darf man ihm nicht Zeit laſſen, ſonſt ſtreicht er die Körner heraus und ſebt ſih in Verteidigungs8zuſtand.

Anfang Oktober, wenn es kalt wird und die Felder leer ſind, denft der Hamſter ernſtli daran, ſi ſeine Winterwohnung herzurichten. Zuerſt verſtopft er das Schlupfloch von der Kammer an bis oben hinauf ſo diht wie mögli<h mit Erde, dann vermauert er ſein Fallloh und zwar von innen heraus, man<hmal niht ganz bis zur Oberfläche der Erde. Hat er noch Zeit, oder fürchtet er den Froſt, ſo gräbt er ſih ein tieferes Neſt und tiefere Kornkammern als bisher und ſpeichert hier ſeine Vorräte auf. Das Lager iſt ſehr klein und wird mit dem feinſten Stroh dicht ausgepolſtert. Nunmehr frißt ſih der faule Gau feit und legt ſi endlih zuſammengerollt zum Schlafen nieder. Gewöhnlich liegt er auf der Seite, den Kopf zwiſchen den Hinterbeinen an den Bauch gedrückt. Alle Haare befinden ſi in der ſchönſten Ordnung, ſtehen aber etwas ſteif vom Körper ab. Die Glieder fühlen ſi eisfalt an und laſſen fich ſhwer beugen, ſchnellen auh, wenn man ſie gewaltſam gebogen hat, wie bei toten Tieren, ſofort wieder in die frühere Lage zurü>; die Augen ſind geſchloſſen, ſehen aber hell und klar aus wie beim lebenden und ſchließen ſi< au<h von ſelbſt wieder. Ein Atemholen oder ein Herzpochen fühlt man niht. Das ganze Tier ſtellt ein lebendes Bild des Todes dar. Gewöhnlich ſ<hlägt das Herz in der Minute 14—15mal. Vor dem Aufwachen bemerkt man zunächſt, daß die Steifigkeit nachläßt. Dann fängt der Atem an, es folgen einige Bewegungen; der Schläfer gähnt und gibt einen röhelnden Laut von ſich, ſtre>t ſich, öffnet die Augen, taumelt wie betrunken umher, verſucht ſi zu ſeten, fällt um, richtet ſi< von neuem auf, beſinnt ſi< und läuft endlih langſam umher, \rißt au ſofort, wenn man ihm etwas vorwirft, pußt und ſtreichelt fi< und iſt endlih ganz munter. Übrigens muß man ſih immer vorſehen, wenn man einen ſolhen Erwe>ungsverſu mit einem Hamſter macht; denn der ſcheinbar ganz Lebloſe belehrt einen manhmak in der allerempfindlihſten Weiſe, daß er nicht tot iſt. Auch im Freien müſſen die Hamſter mitten im Winter aufwachen; denn zuweilen öffnen ſie ihre Löcher im Dezember bei einer Kälte von mehreren Graden unter Null und laufen ein wenig auf den Feldern umher. Ju einer Stube, welche beſtändig geheizt wird, kann man ſie das ganze Jahr hindurh wah erhalten; ſie befinden ſi<h aber do<h niht wohl und ſterben bald.

Es iſt ein wahres Glü>/ daß der Hamſter, welcher ſih zuweilen ganz außerordentlich vermehrt und dann bedeutenden Schaden anrichtet, ſo viele Feinde hat. Buſſarde und Eulen, Naben und manche andere Vögel, vor allem aber Fltis und Wieſel ſind ununterbrochen auf ſeiner Fährte und töten ihn, wo und wann ſie können. Der Fltis und das große Wieſel folgen ihm auch in ſeine unterirdiſhen Wohnungen und müſſen deshalb als die ſ{<limmſten aller ſeiner Feinde angeſehen werden. Feder Landwirt müßte in Hamſtergegenden dieſe beiden nüßlichen Raubtiere, wenn er ſeinen Vorteil erkennen wollte, na<h allen Kräften ſchonen, hegen und pflegen.