Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

526 Siebente Drdnung: Nager; ſechſte Familie: Wühlmäuſe.

Ju einigen Gegenden zieht der Menſch regelrecht gegen den Hamſter zu Felde. Jn Thüringen z. B. gibt es Leute, welche ſih ein Geſchäft daraus machen, die Hamſter auszugraben und umzubringen. Die Gemeinden in den von Hamſtern bevölkerten Gegenden pflegen für jeden eine Kleinigkeit zu zahlen, für einen Rammler und einen Jungen weniger, für ein Weibchen mehr. Fn der Umgegend von Aſchersleben wurden 1888 allein 97,519 Stück gefangen und dafür 1950 Mark Fanglohn bezahlt. Den Hauptgewinn der Jagd aber bilden die Vorräte, welche dieſes eigentümliche Wild ſi< eingetragen hat; die Leute waſchen die Körner einfa ab, tro>nen ſie wieder und vermahlen ſie dann wie anderes Getreide. Auch die Felle werden benußt, obgleih noh niht in der Ausdehnung, wie ſie es verdienen; denn nah allen Erfahrungen geben ſie ein ganz vortreffliches leichtes und dauerhaftes Pelzwerk. Jn manchen Gegenden wird das Fleiſch der Hamſter gegeſſen, und es iſt au< wirkli<h niht der geringſte Grund vorhanden, gegen ſolhe Nahrung etwas einzuwenden; denn das Fleiſch iſt jedenfalls ebenſogut wie das des Eichhörnchens oder anderer Nager, deren Wildbret man mit Behagen verzehrt.

Die Familie der Wühlmäuſe (A ryicolidae) umfaßt eine erheblihe Anzahl von fleinen, einander ſehr ähnlihen Nagetieren, welche noch vielfah an die Mäuſe erinnern und deshalb ihnen früher untergeordnet wurden. Äußerlich unterſcheiden ſie hauptſählih der plumpe Körperbau, der die Kopf, die ganz verſte>ten oder nur wenig aus dem Kopfhaare hervorragenden Dhren und der kurze Schwanz, welcher höchſtens zwei Drittel der Körperlänge exrreiht. Jm Gebiſſe finden ſi drei Backenzähne, welche aus mehreren in der Mitte {wach gekni>ten Platten beſtehen und keine eigentli<hen Wurzeln haben, bei einzelnen auh, wie die Nagezähne, beſtändig nahwachſen, bei anderen dagegen wurzelartig ſih ſchließen. Jhre Kaufläche erſcheint zi>za>förmig, weil an den Seiten tiefe Furchen zwiſchen den einzelnen Platten herablaufen. Hierzu treten no< Eigentümlichkeiten des Knochengerüſtes. Der Schädel iſt am Stirnteile ſehr verengert, der Johbogen weit abſtehend. Die Wirbelſäule beſteht außer den Halswirbeln aus 12—14 rippentragenden, 5—7 rippenloſen, 3—4 Kreuzund 11—24 Schwanzwirbeln.

Die Wühlmäuſe bewohnen den Norden der Alten und Neuen Welt. Sie leben ebenſowohl in der Ebene wie im Gebirge, auf bebautem Lande wie auf ziemlih wüſtem, auf Feldern, Wieſen, in Gärten, an den Ufern von Flüſſen, Bächen, Seen, Teichen und wohnen in ſelbſtgegrabenen Höhlen und Löchern. Faſt alle meiden die Nähe des Menſchen, und nur wenige kommen zuweilen in ſeine Ställe und Scheuern oder in ſeine Gärten herein. Fhre Baue beſtehen aus längeren oder kürzeren, einfacheren oder verzweigteren Röhren, welche ſi vor anderen oft dur< große Flachheit auszeihnen; manche aber bauen hüttenförmige Keſſel und andere mehr oder minder künſtlihe Wohnungen. Die meiſten wohnen einzeln oder paarweiſe zuſammen; doh vereinigen ſie ſi gelegentlih zu bedeutenden Scharen. Fhre Nahrung nehmen ſie vorzugsweiſe aus dem Pflanzenreihe, manche verſhmähen aber auh tieriſche Stoffe niht. Viele tragen ſi< Wintervorräte ein, obgleich ſie keinen Winterſchlaf abhalten. Jm übrigen ähneln ſie den wirklihen Mäuſen faſt in jeder Hinſicht. Jhre Leben8weiſe iſt faſt die gleiche wie bei jenen; ihre Bewegungen ſind ziemlich raſh, jedo<h niht ſo behende und gewandt wie die e<ter Mäuſe. Wenige Arten können klettern, aber faſt alle verſtehen das Schwimmen meiſterhaft, einige leben ja gänzlich im Waſſer, andere monatelang wenigſtens im Schnee, wo ſie ſi< lange Gänge ausgraben und künſtliche Neſter bauen. Einzelne Arten unternehmen, wahrſcheinlih vom Nahrungsmangel getrieben, große Wanderungen, und dieſen haben wir es zuzuſchreiben, daß gegenwärtig mehrere Arten in Europa heimiſh geworden ſind, welche früher ausſ<ließli<h in Aſien lebten. Unter ihren Sinnen