Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

532 Siebente Ordnung: Nager; ſe<ſte Familie: Wühlmäuſe.

ſhwarz, zuweilen weißſpißig, die Vorderzähne braungelb. Mancherlei Abweichungen in der Färbung kommen vor. Fn Sibirien erreiht das Tier eine bedeutendere Größe als in dem mittleren Europa; in Ftalien iſt es Éleiner, oben {hwärzli<, unten faſtanienbraun; in England findet ſih eine ganz {hwarze Abart mit faſt blendend weißer Kehle; am Ob und Jeniſſei leben andere, welche blaßgelbli<h ſind. Alle dieſe Abweichungen ſcheinen ſtändig zu ſein; wollte man alſo nac den gewöhnlich geltenden Grundſäßen verfahren, ſo müßte man ſie ſämtli als eigene Arten anſehen. Selbſt Blaſius geſteht zu, daß namentlich drei verſchiedene Ausprägungen einer und derſelben Stammform ſih bemerklih machen: unſere — Waſſerratte, die italieniſhe Shermaus und die Moll- oder Reutmaus.

Die Waſſerratte iſt ſehr weit verbreitet und eigentlih nirgends ſelten. Jhr Wohngebiet reicht vom Atlantiſchen bis zum Ochotskiſhen, vom Weißen bis zum Mittelländiſchen Meere, und ſie findet ſi< ebenſowohl in der Ebene wie in gebirgigen Gegenden, kommt ſelbſt im Hochgebirge vor. Wollten wir die drei Abänderungen zu Arten erheben, ſo würden wir die erſtere als die am weiteſten verbreitete anſehen und ſie namentlih in naſſen und feuchten Gegenden aufſuhen müſſen, während die zweite Form, welche hauptſächlih in der Provence, in Ftalien und Dalmatien lebt, mehr tro>ene Örtlichkeiten liebt und die dritte, unſere Scher-, Moll- oder Reutmaus, faſt einzig und allein im bebauten Lande, auf Wieſen no< regelmäßig bis zu 1300 m über dem Meere, vorkommt.

Waſſerratten und Schermäuſe erinnern in ihrer Lebensweiſe vielfah an die Maulwürfe, aber au< an die Biſamratten und andere im Waſſer lebende Nager. Die Baue in der Nähe der Gewäſſer ſind regelmäßig einfacher als die in tro>neren Gärten und Feldern. Dort führt, wie bemerkt, ein ſchiefer Gang zu der Kammer, welche zuzeiten ſehr weih ausgefüttert wird; hier legen ſi<h die Tiere Gänge an, welche viele hundert Schritte lang ſein können, werfen Haufen auf, wie die Maulwürfe, und bauen die Kammer in einem der größeren Hügel. Meiſt ziehen ſi< die langen Gänge dicht unter der Oberfläche des Bodens dahin, höchſt ſelten tiefer, als die Pflanzenwurzeln hinabreichen, oft ſo flach, daß die Bodendede beim Wühlen förmlih emporgehoben wird und die Bede>ung des Ganges aus einer nur 2—8 em di>en Erdſchicht beſteht. Solche Gänge werden ſehr oft zerſtört und unfahrbar gemacht; aber die Schermaus iſt unermüdli<h, ſie auszubeſſern, ſelbſt wenn ſie die gleiche Arbeit an einem Tage mehrere Male verrihten müßte. Manchmal laufen ihre Gänge unter einem Fahrwege hin und dauern eben nur ſo lange aus, als der Weg nicht benußt wird; gleihwohl ändert das Tier die einmal gewählte Richtung nicht, ſondern verrichtet lieber die Arbeit immer wieder von neuem. Man kann die Gänge von denen des Maulwurfs leiht dadurch unterſcheiden, daß die Haufen viel ungleihmäßiger ſind, größere Erdbro>ken haben, niht in einer geraden Reihe fortlaufen und oben niemals offen gelaſſen werden. Jn dieſen Bauen lebt die Shermaus paarweiſe; aber ein Paar wohnt gern dicht neben dem anderen. Das Tier läuft niht beſonders ſ{<hnell, gräbt jedo<h vorzüglih und ſhwimmt mit großer Meiſterſchaft, wenn auh nicht ſo ausgezeihnet wie die Waſſerſpißmaus. An ſtillen Orten ſieht man ſie ebenſowohl bei Tage wie bei Nacht in Thätigkeit; doch iſt ſie vorſihtig und entflieht, ſowie ſie ſih beobachtet ſieht, in ihren Bau. Nur wenn ſie ſih zwiſchen dem Schilfe umhertreibt, läßt ſie ſi leiht beobahten. Jndeſſen haben ſi< im Fohannaparke zu Leipzig dort hauſende Waſſerratten derartig an den oft ſehr lebhaften Menſchenverkehr gewöhnt, daß man ihr Treiben zu jeder Tageszeit beliebig lange betrachten kann, wenn man Futtervorräte mitbringt. Sie haben ſi< unter einer Brü>e, die für Spaziergänger über den ſ{<hmälſten Arm des Parkteiches geſchlagen iſt, eingeniſtet und ſhwimmen eifrig und ohne jegliche Scheu herbei und hin und wieder, wenn die über die Brücke gehenden oder dort verſammelten jubelnden Kinder allerlei Bro>en hinabwerfen. Urſprünglich mögen dieſe wohl den Fiſhen und Schwänen geſpendet worden ſein, haben dann auch die Waſſerratten