Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Waſſerratte: Verbreitung. Lebensweiſe. Schädlichkeit. 533

angelo>t und werden nun größtenteils von dieſen hurtigen Shwimmern, denen ſie au< hauptſählih zugedacht ſind, eingeſammelt. Denn die behenden Tiere, deren ſih man<hmal ein halbes und ganzes Dußtend, alte wie junge, gleichzeitig im Waſſer herumtummeln, bilden für das junge Volk auf der Brücke eine unerſchöpfliche Quelle des Vergnügens, zumal wenn ihnen ein ganzes Brötchen zugeworfen wird, das ſie im eifrigen Wettbewerbe und Gedränge erſt nach vielen mißglü>ten Verſuchen in das Ufergras vor ihren Verſte>ken in Sicherheit bringen können, oder wenn ihnen ein an einem Faden tanzendes Semmelſtü> hinabgelaſſen wird, nah dem ſie ganz geſhi>t au< emporſpringen.

Unter den Sinnen der Waſſerratte ſcheinen namentli<h Geſicht und Gehör vortrefflich ausgebildet zu ſein. Jhr geiſtiges Weſen unterſcheidet ſie zu ihrem Vorteile von den Natten. Sie iſt neugierig, ſonſt aber beſchränkt und ziemlih gutmütig. Fhre Nahrung wählt ſie vorzugsweiſe aus dem Pflanzenreiche, und dadurch wird ſie oft überaus ſ{hädli<h, zumal wenn ſie in Gärten ihren Wohnſiß aufſchlägt. Ungeachtet ihrer Neugierde läßt ſie ſih niht fo leicht vertreiben, und wenn ſie ſih einmal eingeniſtet hat, geht ſie freiwillig niht eher weg, als bis ſie alles Genießbare aufgefreſſen hat. „Einſt“, erzählte mein Vater, „hatte ſih eine Schermaus in dem hieſigen Pfarrgarten angeſiedelt. JFhre Wohnung lag in einem Wirſingbeete, aber ſo tief, daß man das ganze Beet hätte zerſtören müſſen, wenn man ſie dort hätte ausgraben wollen. Mehrere Gänge führten von der Kammer aus in den Garten. Wenn es beſonders fill war, kam ſie hervor, biß ein Kohlblatt ab, faßte es mit den Zähnen, zog es zum Loche hinein und verzehrte es in ihrer Höhle. Den Bäumen fraß ſie die Wurzeln ab und zwar ſelbſt ſole, welche bereits eine ziemlihé Größe erlangt hatten. Jh hatte auf einem Feldroſenſtamme weiße Noſen okulieren laſſen und zu meiner Freude in dem einen Jahre 153 Stück Roſen an dem Stamme erblühen ſehen. Plößlich verdorrte er, und als ih na<grub, fand i<, daß alle Wurzeln nicht nur ihrer Schale beraubt, ſondern faſt ganz durchgefreſſen waren. Man kann ſi leicht denken, wie ſehr dieſe Verwüſtungen meinen Haß gegen das böſe Tier vermehrten. Aber es war ſehr {hwer, die Maus zu erlegen. Jh ſah ſie tägli<h vom Fenſter aus meine Kohlſtö>ke brandſchaßen; allein von dort aus war es zu weit, um ſie zu erſchießen, und ſobald ſih jemand ſehen ließ, verſhwand ſie in der Erde. Erſt nach 14 Tagen gelang es, ſie zu erlegen und zwar von einem ihretwegen angelegten Hinterhalte aus. Sie hatte mix aber bis dahin faſt den ganzen Garten verwüſtet.“

An Teichen thut die Waſſerratte verhältnismäßig viel weniger Schaden, den einen freilih abgerechnet, daß ſie die Dämme durhwühlt und ſo dém Waſſer einen unerwünſchten Ausfluß verſchafft. Dort beſteht ihre Nahrung vorzugsweiſe aus Nohrſtengeln, und dieſe verzehrt ſie auf ganz eigentümliche Weiſe. Sie baut ſi<h nämlih einen förmlichen Speiſetiſh. „Dieſe Eßtiſche“, ſagt mein Vater, welcher die Waſſerratten vielfah beobachtete, „ſind auf umgekni>ten Nohrſtengeln angebracht, einige Zentimeter über dem Waſſerſpiegel erhaben, und beſtehen aus grünem Seggengraſe. Fhr Durchmeſſer beträgt 20—30 em. Sie ſind aus einer feſten, dihten Maſſe aufgebaut und oben ganz platt; denn ſie dienen den Waſſerratten nur als Nuhepläße und Speiſetafeln. Fn unſeren Renthendorfer Teichen leben die Tiere im Sommer beinahe aus\<ließli<h von Nohrſtengeln. Dieſe beißen ſie an der Oberfläche des Waſſers ab und tragen ſie im Nahen nah dem nächſten Eßtiſche. Auf ihm angefommen, richten ſie ſih ſenkre<t auf, faſſen den Nohrſtengel mit den Vorderfüßen und ſchieben ihn ſo lange fort, bis ſie an den oberen, markigen Teil kommen; jeßt halten ſie ihn feſt und verzehren die ganze Spie. Sind ſie mit einem Nohrſtengel fertig, dann holen ſie ſih einen anderen herbei, behandeln ihn auf ähnliche Weiſe und ſeßen, wenn ſie nicht geſtört werden, dieſe Arbeit ſo lange fort, bis ſie völlig geſättigt ſind. Aber ſie laſſen ſich bei ihren Mahlzeiten niht gern beobachten und ſtürzen ſich bei dem geringſten Geräuſche oder beim Erbli>en eines auh in ziemlicher Ferne vorbeigehenden Menſchen ſogleich in das