Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Schneemaus. Waldwühlmaus. 59T

Lebendigen hinaus bis zu dieſen luftigen, ſtarren Alpenhöhen; nur einzeln folgt vorübergehend als unerbittlicher Feind ein Wieſel oder Hermelin ihren Spuren.“

Die Shneemaus iſt den Naturforſchern erſt ſeit einigen Fahrzehnten bekannt geworden. Nager entde>te ſie im Fahre 1841 in Andermatt am St. Gotthard, Martins fand ſie am Faulhorn, Hugi auf dem höchſten Kamme der Strahle>, über 3000 m hoch, und am Finſteraarhorn bei einer Meereshöhe von 3600 m mitten im Winter in einer Alphütte. „Wir ſuchten“, erzählt er, „die Hütte der Stiereggalp auf, welche endlich eine etwas erhöhte Schneeſtelle verriet, und arbeiteten in die Tiefe. Längſt war es Nacht, als wir das Dach fanden; nun aber ging es an der Hütte {nell abwärts. Wir machten die Thüre frei, kehrten ein mit hoher Freude und erſ{<lugen 7 Alpenmäuſe, während wohl über 20 die Flucht ergriffen und nicht geneigt ſchienen, ihren unterirdiſchen Palaſt uns ſtreitig zu machen.“ Blaſius beobahtete die Shneemaus auf den Bergen von Chambéry, am Montblanc und am Bernina bei 38600 m Höhe auf der oberſten, nur wenige Geviertfuß vom Schnee entblößten Spiße des Piz Languard im oberen Eßthal. „Jn den Mittelalpen“, ſagt er, „habe ih nur die grob: haarige, graue Form gefunden. Die weihhaarige, weißliche fenne ih aus der Umgegend von Fnterlaken und die fahlgelbe bis jezt nur aus den nordöſtlichen Kalkalpen, von den bayriſchen Hochalpen an dur< das nördliche Tirol bis ans Salzburgiſche.““

Das Leben, welches die Shhneemaus in ihrer unwirtlichen, traurig-armen Heimat führt, iſt bis jeßt noc rätſelhaft. Man weiß, daß ſie Pflanzen, hauptſächlich Wurzeln und Alpenfräuter, Gras und Heu, frißt und von dieſen Stoffen auh Vorräte im Winter einſammelt; aber man begreift kaum, daß ſie an vielen Orten, wo ſie lebt, noh Nahrung genug findet. An manchen Stellen iſ es bloß eine einzige Pflanzenart, welche ihr Zehrung bieten kann, an anderen Orten vermag man nicht einzuſehen, wovon ſie leben mag. Jm Sommer freilich leidet ſie keine Not. Sie beſucht dann die Sennhütten der Kuh- und Schafalpen und naſ<t von allem Eßbaren, was ſie in den Hütten findet, nur niht vom Fleiſche. Fhre Wohnung ſ<hlägt ſie dann bald in Erdlöchern, bald in Geröll und Gemäuer auf. Jn der Nähe ihrer Höhle ſieht man ſie au<h bei Tage umherlaufen, und ſie iſt ſo vertraut, daß man fie dann leiht erſhlagen oder wenigſtens erſchießen kann. Selbſt bei hellem Tage geht ſie in die Fallen. Erſchre>t, verſhwindet ſie raſh zwiſchen Felsblöken; doh dauert es ſelten lange, bis ſie wieder zum Vorſchein kommt. Jn ihren Vauen findet man zernagtes Heu und Halme, oft au< Wurzeln von Bibernell, Enzian und anderen Alpenfräutern. Das Neſt enthält wahrſcheinlih zweimal im Sommer 4—7 Junge: Blaſius hat ſolche no< gegen Ende September gefunden. Kommt nun der Winter heran, ſo zieht fie ſi< wohl ein wenig weiter an den Bergen herab; doc bis in die wohnliche Tiefe gelangt ſie niht. Sie zehrt jetzt von ihren geſammelten Vorräten, und wenn dieſe niht mehr ausreichen, \<hürft ſie ſi< lange Gänge in dem Schnee von Pflänzchen zu Pflänzchen, von Wurzel zu Wurzel, um ſi< mühſelig genug ihr tägliches Brot zu erwerben.

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Die Untergattung der Waldwühlmäuſe (Mypudaeus) unterſcheidet ſih von den Wühlratten dadurch, daß der zweite untere Ba>kenzahn 3 geteilte Shmelzſhlingen, außen 3 und innen 2 Längsleiſten hat, und daß das Zwiſchenſcheitelbein am Hinterrande flach abgerundet, jederſeits aber in eine lange Spie verſchmälert iſt. Auch ſchließt ſi die in der Jugend offene Zahnwurzel mit zunehmendem Alter faſt gänzlich.

Unſere Waldwühlmaus (Arvicola [Hypudaeus] glareolus, Mus glareolus, Arvicola fulyus, riparia, pratensis, rufescens, Hypudaeus hercynicus und nageri), ein Tierchen von 10 cm Leibes- und 4,5 cm Schwanzlänge, iſt zweifarbig, oben braunrot, na< den Weichen hin graulich, unten und an den Füßen ſcharf abgeſeßt weiß.