Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

542 Siebente Ordnung: Nager; ſe<hſte Familie: Wühlmäuſe.

binnen 7 Wochen 200/000 Stü> gefangen und an die Breslauer Düngerfabrik abgeliefert, welhe damals fürs Dußend einen Pfennig bezahlte. Einzelne Mäuſefänger konnten der Fabrik täglih 1400—1500 Stü> liefern.“ Jm Sommer des Jahres 1861 wurden in der Gegend von Alsheim in Rheinheſſen 409,523 Mäuſe und 4707 Hamſter eingefangen und abgeliefert. Die Gemeindekaſſe hat dafür 2593 Gulden verausgabt. Manche Familien haben bei dieſer Mäuſeverfolgung 50, 60 und mehr Gulden durch die Thätigkeit ihrer Kinder erworben; ja, einem beſonders glüclihen Vater haben ſeine wa>eren Buben 142 Gulden heimgebracht. Er kaufte für dieſes Geld ein kleines Grundſtü>, welches den Namen „Mäuſeä>erhen“ für alle Zeiten tragen ſoll. Fn den Fahren 1572 und 1873 war es niht anders. Faſt aus allen Teilen unſeres Vaterlandes erſchollen Klagen über Mäuſfenot. Es wax eine Plage, der bekannten ägyptiſchen vergleihbar. Selbſt in dem dürren Sande der Mark zählte man auf einzelnen Feldſtü>ken Tauſende von Feldmäuſen; in dem fetten A>erlande Niederſachſens, Thüringens, Heſſens hauſten ſie fur<tbar. Halbe Ernten wurden vernichtet, Hunderttauſende von Morgen umgepflügt, viele Tauſende von Mark ſür Vertilgungsmittel ausgegeben. Fn landwirtſchaftlihen Vereinen wie in Miniſterien erwog man Mittel und Wege, der Plage zu ſteuern.

Zuweilen überfällt die Feldmaus au< Waldungen. Fn den Fahren 1813 und 1814 richtete ſie in England unter der ein- bis zweijährigen Baumſaat ſo große Verwüſtungen an, daß ernſtliche Beſorgniſſe dadur< rege wurden. Auf weite Stre>en hin hatten die Tiere nicht allein von allen Seßlingen die Rinde abgefreſſen, ſondern au< die Wurzeln vieler ſhon großer Eichen und Kaſtanien abgeſchält und die Bäume dadur<h zu Grunde gerichtet. Von ſeiten der Regierungen mußten die umfaſſendſten Vorrichtungen getroffen werden, um dem ungeheuern Schaden zu ſteuern.

Leider iſt der Menſch dieſen Mäuſen gegenüber geradezu ohnmächtig. Alle Vertilgungsmittel, welhe man bisher erſonnen hat, erſheinen ungenügend der maſſenhaften Vermehrung jener gefräßigen Scharen gegenüber: nur unter ihnen ausbrehende Seuchen und in niht unerheblihem Maße auh die vom Menſchen ſo befeindeten Raubtiere vermögen zu helfen. Man gebraucht mit gutem Erfolge Mäuſebohrer, mit denen man Löcher von 12—18 cm Durchmeſſer etwa 60 em tief in die Erde gräbt, und erzielt damit, daß die hineinfallenden Mäuſe, ohne daran zu denken, ſih Fluchtröhren zu graben, einander auffreſſen und ſi. gegenſeitig vernihten; man läßt beim Uma>ern der Felder Kinder mit Stöcken hinter dem Pfluge hergehen und ſo viele Mäuſe wie möglih erſchlagen; man treibt Rauch in ihre Höhlen, wirft vergiftete Körner hinein, übergießt ſogar ganze Felder mit einem Abſud von Brehnuß oder Wolfsmilch, kurz wendet alles an, um dieſe greuliche Plage los zu werden: aber gewöhnlih find ſämtliche Mittel ſo gut wie vergeblich, einzelne von ihnen, namentlih das Vergiften, auh höchſt gefährlih. Selbſt das wirkſamſte Gift vertilgt nicht alle Feldmäuſe eines Akers, wohl aber regelmäßig deren ärgſte Feinde, alſo unſere Freunde: Füchſe, Jltiſſe, Hermeline, Wieſel, Buſſarde, Eulen, Krähen und ebenſo Rebhühner, Haſen und Haustiere, von der Taube an bis zum Rinde oder dem Pferde hinauf: Grund genug, das Ausſtreuen von Gift gänzlich zu verwerfen. Für jeden Tierkundigen oder Tierfreund war es ein Greuel zu ſehen, wie im Jahre 1872 die Mäuſefeinde anſtatt geſhütt und gehegt, vergiftet und vernichtet wurden. Kurzſichtige, mehr für Haſenjagd begeiſterte als auf vollſte Ausnußung des Bodens bedachte Landwirte freuten ſih, daß neben toten Mäuſen auh Hunderte von verendeten Krähen, vergiftete Buſſarde und Eulen, Füchſe, Fltiſſe und Hermeline gefunden wurden, bedachten aber niht, welchen Schaden ſie durch ihre ſinnloſe Mäuſevertilgungswut ſich ſelbſt zugefügt hatten. Nicht die Leichname der nüßlichen, aber mißahteten Mäuſejäger, ſondern erſt die nebenbei vergifteten Haſen, Rebhühner und Haustiere brachten ſie zum Nachdenken und bewogen ſie endlich, dem Giftſtreuen Einhalt zu