Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

550 Siebente Ordnung: Nager; ſiebente Familie: Wurfmäuſe.

walten, wie ſie wollen. Er weiß ſie auh nicht zu benugen; das Fell iſt nicht viel wert, und vor dem Fleiſche hegt er, wie leicht begreifli<h, ungefähr denſelben Abſcheu, welchen wir vor dem Rattenfleiſhe haben. Die Lappen aber werden oft dur<h den Hunger getrieben, Lemminge zu verfolgen. Wenn ihnen alles Wildbret mangelt und die von ihnen fo ſicher gehandhabte Büchſe nichts mehr bringen will, müſſen ſie zum Hirtenſto>e greifen und Lemminge ſ<lagen, um ihr Leben zu ſriſten.

Die Familie der Wurfmäuſe (Spalacidae) beſteht aus ungeſtalteten, häßlichen, unterirdiſch lebenden Nagern. An die Maulwürfe erinnernd, beſiben ſie alle unangenehmen Eigenſchaften dieſer Wühler, ohne deren Nugen zu bringen. Der Leib iſt plump und walzenförmig, der Kopf di>, breit, flachſtirnig und ſtumpfſhnäuzig; die Augen find außerordentlich flein oder liegen gänzlich unter der äußeren Haut verborgen; die fehr kleinen Dhren entbehren äußerlich ſichtbarer Muſcheln; der Shwanz fehlt oder iſt im Pelze verſte>t. Um jo mehr treten die faſt gleihmäßig entwielten fünfzehigen Füße hervor; denn wie bei den Maulwürfen ſind die vorderen ſtärker als die hinteren und alle mit ſehr kräftigen Grabefrallen bewehrt. An dem hinten ſehr breiten, vorn abſchüſſigen Schädel fällt beſonders der in zwei ungleiche Äſte geteilte Fochfortſaß auf. Jn der Wirbelf äule zählt man außer den Halswirbeln 12—14 rippentragende, 5—6 rippenloſe, 2—5 Kreuz- und 5—13 Schwanzwirbel. Das Schlüſſelbein iſ ſehr kräftig, der Oberarm breit und ſtark. Die Schneidezähne ſind breit und flah, die 3, 4 oder 6 Backenzähne in jedem Kiefer gefaltet und mit Wurzeln verſehen oder wurzellos.

Alle Wurfmäuſe gehören der Alten Welt an. Sie bewohnen meiſt tro>ene, ſandige Ebenen und durhwühlen nah Art der Maulwürfe den Boden auf weite Stre>en hin. Keine Art lebt geſellig; jede wohnt einzeln in ihrem Baue und zeigt auc das mürriſche, einſiedleriſhe Weſen des Maulwurfes. Lichtſheu und unempfindlih gegen die Freuden der Oberwelt, verlaſſen die Wurfmäuſe nur höchſt ſelten ihre unterirdiſchen Gänge, arbeiten meiſtens auh hier nit einmal während des Tages, ſondern hauptſählih zur Nachtzeit. Mit außerordentlicher Schnelligkeit graben ſie, mehrere ſogar ſenkrecht, tief in den Boden hinein. Auf der Erde ungemein plump und unbeholfen, bewegen ſie ſih in ihren unterirdiſhen Gängen vor- und rü>wärts mit faſt gleiher Gewandtheit. Jhre Nahrung beſteht nur in Pflanzen, meiſtens in Wurzeln, Knollen und Zwiebeln, welche ſie aus der Erde wühlen; aus8nahmsweiſe freſſen einige au< Gras, Rinde, Samen und Nüſſe. Die in falten Gegenden wohnenden ſammeln ſi zwar Nahrungsvorräte ein, verfallen aber nict in einen Winterſchlaf, ſondern arbeiten rüſtig weiter zum Nahteile der Felder, Gärten und Wieſen. Glücklicherweiſe vermehren ſie ſi< nict ſehr ſtark, ſondern werfen bloß 2—4 Funge, für welhe manche Arten ein Neſt herrichten.

Die bekannteſte Art dieſer Familie iſt die Blindmaus (Spalax ty phlus, Mus und Marmota typhlus, Spalax microphthalmos, pallasii und xanthodon, Marmota podolica, Cuniculus subterranenus). Der Kopf iſt ſtumpfſhnäuzig und ſtärker als der Rumpf, der kurze, unbewegliche Hals ſo di> wie der ſhwanzloſe Leib; die kurzen Beine zeigen breite Pfoten mit ſtarken Zehen und Krallen. Die Augen haben kaum die Größe eines Mohnkornes und liegen unter der Haut verborgen, können alſo zum Sehen nicht benußt werden. Die Körperlänge beträgt 20 cm. An dem di>en Kopfe iſt der Schädel abgeplattet, die Stirn flach, die Schnauze ſtumpf gerundet, die Naſe di>, breit und knorpelig, mit runden, weit auseinander ſtehenden Löchern. Gewaltige, di>e und glei breite, vorn meißelartig abgeſchliffene