Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

592 Siebente Ordnung: Nager; ſiebente Familie: Wurfmäuſe.

wohl auh auf der Oberfläche. Während des Winters werden die Gänge ſo dicht unter der Grasnarbe angelegt, daß ihre erdige Überwölbung höchſtens 2 em di> zu ſein pflegt und der darüber liegende Schnee die eigentliche Dee bildet. Die Blindmaus hält keinen Winter\<hlaf, arbeitet daher fortwährend, nah Verſicherung der Kirgiſen am eifrigſten in den Mittagsſtunden und bei Sonnenſchein, am trägſten des Morgens und bei Regen. Beim Graben ſoll ſie die ſtarken Schneidezähne benußzen, um das Wurzelwerk zu durhnagen, beziehentlih die Erde, welche zwiſchen den Wurzeln liegt, zu zerkleinern. Die losgeſcharrte Erde wirſt ſie mit dem Kopfe in die Höhe und ſchleudert ſie dann mit den Vorder- und Hinterbeinen zurü>. Sie lebt ebenſowenig geſellig wie der Maulwurf, viel häufiger aber in größerer Nähe mit anderen ihrer Art zuſammen. Um die Zeit der Paarung kommt ſie man<hmal, um ſich zu ſonnen, auch bei Tage auf die Oberfläche, eilt jedoch bei drohender Gefahr \{<leunigſt wieder ihrem Baue zu oder gräbt ſi, wenn ſie niht augenbli>li< die Mündung findet, mit überraſchender Schnelligkeit in die Erde ein, im Nu den Blicken ſich entziehend. Häufiger noch als in den Mittagsſtunden ſoll ſie am frühen Morgen und in der Nachtzeit aus ihren Gängen hervorkommen.

So ungeſhhi>t und täppiſch, wie man gewöhnlich angibt, ſind die Bewegungen der Blindmaus niht. Ein Zokor, welchen ih laufen ſah, huſchte mit der Schnelligkeit einer Ratte über den Boden dahin, eilte einem Bache zu, ſtürzte ſh kopfüber ins Waſſer, ſchwamm raſh ein Stück in ihm fort und verſhwand eilfertig in einem hier ausmündenden Loche. Daß wenigſtens dieſe Art vortrefflich läuft und hwimmt, verſicherten einſtimmig alle von mir befragten Kirgiſen, und dasſelbe wird man wohl auch von der Blindmaus ſagen können. Wie dieſe ſih unterirdiſ<h benimmt, weiß man niht. Unter den Sinnen, welche ſämtli<h wenig entwi>elt ſein dürften, ſcheint das Gehör eine hervorragende Nolle zu ſpielen. Man hat beobachtet, daß die Blindmaus gegen Geräuſch ſehr empfindlih iſt und hauptſählih durch den Gehörsſinn geleitet wird. Wenn ſie ſih im Freien befindet, ſißt ſie mit emporgerihtetem Kopfe ruhig vor der Mündung ihrer Gänge und lauſcht höchſt aufmerkſam nah allen Seiten hin. Bei dem geringſten Geräuſche hebt ſie den Kopf noh höher und nimmt eine drohende Stellung an oder gräbt ſih ſenkre<ht in den Boden ein und verſhwindet. Wahrſcheinlich trägt auh der Geruch bei, den fehlenden Geſichtsſinn bis zu einem gewiſſen Grade zu erſeßen. Jhr Weſen ſcheint mit dem anderer kleiner Nager übereinzuſtimmen. Man bezeichnet ſie als ein mutiges und biſſiges Geſchöpf, welches im Notfalle ſeine kräftigen Zähne in empfindlicher Weiſe zu gebrauchen weiß, ergriffen, heftig ſhnaubt und knirſcht und wütend um ſich beißt. Ein von uns gefangener Zokor benahm ſi ruhiger, verſuchte nicht, ſich zu befreien, zappelte au nux wenig, als wir ihn im Genie gepa>t hatten und feſthielten. Fn dem ihm angewieſenen Gefängniſſe ließ er ein ſchwaches Quieken vernehmen; andere Laute hörten wir nicht.

Die Blindmaus nährt ſih, wenn niht aus\cließlih, ſo doh vorwiegend von pflanzlichen Stoffen, insbeſondere von allerlei Wurzelwerk, im Notfalle auh von Baumrinde. Finden ſih in ihrem Wohngebiete Pflanzen mit tiefgehenden Wurzeln, ſo ſenkt ſie ihre Gänge im Wintex bis unter die hartgefrorene Kruſte des Bodens, wenn nicht, ſhürft ſie jene flahen Wege dicht unter dem Schnee. Wintervorräte hat man in ihren Gängen noh niht auf: geſunden, wohl aber Neſter, welche aus den feinſten Wurzeln zuſammengebaut ſind. Jn einem ſolchen Neſte wirft das Weibchen im Sommer ſeine 2—4 Fungen.

Das Tier fügt dem Menſchen im ganzen geringen Schaden zu, obgleih ihm viel Böſes nachgeſagt wird, ebenſowenig aber bringt es irgend welhen Nußen. Die Ruſſen glauben, daß es dem Menſchen beſondere Heilkräfte verleihen könne, indem derjenige, welher Mut genug hat, es auf ſeine bloße Hand zu ſetzen, ſih beißen zu laſſen und es hierauf durch Erdrücen langſam umzubringen, ſpäter befähigt wäre, durch bloßes Auflegen der Hand Drüſengeſchwülſte aller Art zu heilen. Hierauf bezieht ſi<h auh einer der Landesnamen,