Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Blindmaus. Strandgräber. — Taſchennager. 559

welcher ſoviel wie „Drüſenarzt“ bedeutet. DieRuſſen nennen unſere Wurfmaus übrigens Slapuſh oder die Blinde; in Galizien heißt ſie Ziemni-biſak und in Ungarn Földi-kölök.

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Eine afrikaniſhe Wurfmaus, der Strandgräber (Bathyergus maritimus, Mus euillus und maritimus, Bathyergus sguillus, Orycterus maritimus), ift ebenſo unſchön wie die übrigen hierher gehörigen Tiere, plump gebaut, mit walzigem Rumpfe, breitem, ſtumpfem Kopfe, ohne Ohrmuſcheln, mit ſehr kleinen Augen und breiter, knorpeliger Naſenſpize, kurzen Beinen und fünfzehigen, dur rieſige Scharrnägel bewehrten Pfoten. Der Pelz iſt dicht, außerordentlih weih und fein; lange, ganz ſteife Shnurren umgeben den Kopf; der ſtummelhafte Schwanz trägt einen Strahlenbüſchel. Auffallend lang ſind die weit vorragenden, ſchwach gebogenen, weißen Nagezähne, deren oberes Paar dur eine tiefe Rinne förmlich geteilt iſt. Unter den vier Nagezähnen in jedem Kiefer iſt der hinterſte der größte. Die all: gemeine Färbung des Pelzes iſt weiß, oben gelblich, unten grau überlaufen. Die Länge beträgt einſchließlih des 5 cm langen Schwanzes 30 cm.

Der Strandgräber iſ über einen verhältnismäßig kleinen Teil Südafrikas verbreitet; am häufigſten findet er ſi<h am Vorgebirge der Guten Hoffnung. Sandige Küſtengegenden bilden ſeinen Aufenthalt, und ſorgfältig vermeidet er jeden feſteren und pflanzenreicheren Boden. Jn den Dünen oder Sandhügeln längs der Küſte wird er häufig getroffen. Sein Leben iſt unterirdiſh. Ex gräbt ſi tief im Sande lange, verzweigte, röhrenartige Gänge, welche von mehreren Mittelpunkten ausſtrahlen und untereinander vielfah verbunden ſind. Reihenweiſe aufgeworfene Haufen bezeichnen ihren Verlauf.

Die Gänge ſind weit größer als die des Maulwurfes, da das faſt hamſtergroße Tier ſelbſtverſtändlih Nöhren von größerem Durchmeſſer graben muß als der fleinere Mull. Wie es ſcheint, iſt der Strandgräber emſig bemüht, überall dem Eindringen der äußeren Luſt zu wehren, wie er denn überhaupt ein im höchſten Grade lihtſcheues Geſchöpf iſt. Kommt er dur irgend einen Zufall auf die Erde, ſo kann er kaum entfliehen. Er verſucht dann, ſi auf höchſt unbeholfene Art fortzuſchieben, und zeigt ſich ängſtlih bemüht, wieder in die Tiefe zu gelangen. Greift man ihn an, ſo ſchleudert er heftig den Vorderleib umher und beißt wütend um ſi<. Die Bauern haſſen ihn außerordentlich, weil er den Boden ſo unterwühlt, daß häufig die Pferde von oben durctreten und Gefahr laufen, die Beine zu brechen, ja, daß ſelbſt Menſchen ſich ſhädigen. Gewöhnlich wirſt er morgens um 6 Uhr oder nachts um 12 Uhr ſeine Haufen auf. Dies benußen die Bauern, um ihn zu vertilgen. Sie räumen einen Haufen weg, öffnen eines ſeiner Löcher, legen in dasſelbe eine gelbe Rübe oder andere Wurzel und befeſtigen dieſe an einer Schnur, welche den Drücker einer Flinte abzieht, deren Lauf nah dem Loche gerichtet iſt. Sobald der Strandgräber an der Nübe zerrt, entlädt er die Flinte und tötet ſich ſelbſt dur<h den Schuß. Auch leitet man Waſſer in ſeine Baue, um ihn zu erſäufen. Weiteres über ihn und ſeine Lebensweiſe ſcheint noh niht befannt zu ſein.

Vielleicht darf man den Wurfmäuſen eine Nord- und Mittelamerika angehörige Familie, die der Taſchennager (Saccomyidae), anreihen. Es enthält dieſe Abteilung ſehr verſchieden geſtaltete, teilweiſe zierliche und hübſche, teilweiſe unſhöne, in ihrem Weſen, ihren Sitten und Gewohnheiten wenig bekannte Nager, welche ſi<h von allen übrigen dadurch unterſcheiden, daß ſie verſchieden lange oder tiefe, von außen ſih öffnende, innen mit kurzen Haaren ausgefleidete Backentaſchen beſißen. Dieſes eine Merkmal genügt, um die hierher zu zählenden Arten der Ordnung von allen Verwandten zu unterſcheiden. Das