Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

558 Siebente Drdnung: Nager; neunte Familie: Stachelſ<hweine.

und verwüſtet oft ganze Felder dur< Anfreſſen der von ihm ſehr geſuchten Knollenfrüchte. Deshalb wird der Menſch au< ihm, welcher ſonſt nur vom Waſſer oder von S<hlangen zu leiden hat, zum gefährlichſten Feinde. Man ſett ihm Maulwurfsfallen aller Art, namentlich kleine Tellereiſen. Groß iſt die Anſtrengung gefangener, ſi zu befreien, und gar niht ſelten, freilih aber nur nah Verluſt des eingeklemmten Beines, gelingt ſolches dem erboſten Tiere zum Ärger des Fängers. Gegen herbeikommende Feinde wehrt ſi< der Gopher mit wütenden Biſſen.

Audubon hat mehrere Taſchenratten wochenlang gefangen gehalten und mit Knollengewächſen ernährt. Sie zeigten ſih überraſchend gefräßig, verſ<mähten dagegen zu trinfen, obglei<h ihnen niht bloß Waſſer, ſondern au< Milh geboten wurde. An ihrer Befreiung arbeiteten ſie ohne Unterlaß, indem ſie Kiſten und Thüren zu durhnagen verſuchten. Kleidungsſtü>e und Zeug aller Art ſ{hleppten ſie zuſammen, um ſi ein Lager davon zu bilden, Und zernagten es natürli<h. Auch Lederzeug verſchonten ſie niht. Einmal hatte ſih eine von Audubons gefangenen Taſchenratten in einen Stiefel verirrt: anſtatt umzukehren, fraß ſie ſih an der Spitze einfah dur<. Wegen dieſes Nagens und des dadur< hervorgebrahten Geräuſches wurden die Tiere ſelbſt unſerem entſagungsſtarken Forſcher unerträglich.

Weit mehr als bei anderen mit Stacheln bewehrten Säugetieren iſt das Stachelkleid entwi>elt in der dur<h mehrere ſehr beahtenswerte Gattungen ausgezeihneten Familie der Stachelſhweine (Hystrichidae), nah deren bekannteſter Gattung die geſamte Gruppe benannt wurde; ſie bedarf keiner langen Beſchreibung hinſichtlich der äußerlihen Kennzeichen ihrer Mitglieder. Das Stachelkleid, ſo verſchieden es auh ausgebildet ſein mag, iſt ſämtlichen hierher gehörigen Tieren eigen. Der Leib iſt gedrungen, der Hals kurz, der Kopf di>, die Schnauze kurz, ſtumpf und an der Oberlippe geſpalten, der Schwanz kurz oder ſehr lang und bei einer Gattung greiffähig; die Beine find ziemlih gleih lang, die Füße vier- oder fünfzehig, breitſohlig, die Zehen mit ſtark gekrümmten Nägeln bewehrt, die Dhren und Augen klein. Die hinſihtlih ihrer Länge und Stärke ſehr verſchiedenen Stacheln ſtehen in geraden Reihen zwiſchen einem ſpärlichen Unterhaare oder umgekehrt einem längeren Grannenhaare, welches ſo überwiegend werden kann, daß es die Stacheln gänzlih bede>. Bezeichnend für lettere iſt eine verhältnismäßig lebhafte Färbung. Die Nagezähne ſind auf der Vorder: ſeite glatt oder gerinnelt, die vier Ba>kenzähne in jeder Reihe mit oder ohne Wurzeln, faſt glei groß und {hmelzfaltig. Die Wirbelſäule zählt außer den Halswirbeln 12—13 rippentragende, 5 rippenloſe, 3—4 Kreuz- und bis 12 oder 13 Shwanzwirbel.

Alle Stachelſhweine bewohnen gemäßigte und warme Länder der Alten und Neuen Welt. Hier finden ſi die kletternden, dort die grabenden Arten. Die altweltlichen ſind ebenſo an den Boden gebunden wie die neuweltlihen an das Leben auf den Bäumen. Dem entſprechend leben jene in dünn beſtandenen Wäldern und Steppen, bei Tage in ſelbſtgegrabenen Gängen und Höhlen verborgen, dieſe in großen Waldungen, zuſammengeknäuelt auf einer Aſtgabel dichter Baumwipfel odex in einer Baumhöhlung ſißend. Ungeſellig wie ſie ſind, vereinigen ſie ſi< nur während der Fortpflanzungszeit zu leinen Trupps, welche mehrere Tage miteinander verbringen können; ſonſt lebt jedes einſam für ſih. Jhre Bewegungen ſind langſam, gemeſſen, träge; zumal die kletternden Arten leiſten Erſtaunliches in der gewiß {weren Kunſt, ſtunden- und tagelang bewegungslos auf einer und derſelben Stelle zu verharren. Jedoch würde man irren, wenn man behaupten wollte, daß die Stachelſhweine raſher und geſchi>ter Bewegungen unfähig wären. Wenn einmal die Nacht eingetreten iſt und ſie ordentlih munter geworden ſind, laufen die einen