Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

572 Siebente Ordnung: Nager; neunte Familie: Stachelſ<hweine.

von eisgrauer Färbung. Dieſe verleihen dem Tiere, wenn es halb zuſammengerollt und ruhig auf den Zweigen des Baumes ſißt, eine täuſchende Ähnlichkeit mit einem Klumpen grauen Bartmooſes, und ſelbſt ein ſcharfſihtiger Jäger geht leicht vorüber, getäuſcht durch die im Winde wehenden Haare des unbeweglichen Tieres, oder ſchießt wohl auch ein anderes Mal in jene Shmarozerpflanzen hinein, ohne ſeiner That ſi< rühmen zu können.“ Die Stellung des Kletterſtachelſhweines auf Bäumen iſt eigentümlich: es ſißt, wie ih an meinen Gefangenen ſah, auf den Hinterfüßen, hält die Vorderfüße dicht neben dieſe, man<mal umgebogen, ſo daß es mit den Handrüten ſi ſtüßt; der Kopf wird dabei ſenkre<ht nah abwärts gerichtet, der Shwanz gerade ausgeſtre>t und nah oben hakig umgebogen. Gewöhnlich verſichert es ſih dur<h den Greifſhwanz, welchen es um einen Aſt ſchlingt, in ſeiner Lage. Es ſizt aber auh ohnedies ſehr feſt auf den dünnſten Zweigen, weil die breiten, na< innen gewölbten Hände einen ſicheren Anhalt gewähren. Fm Klettern drü>t es die breiten, fleiſhigen Sohlen feſt an die Äſte und umklammert ſie mit den Handballen. Bei Tage bewegt es ſi höchſt ungern, ungeſtört wohl niemals; bringt man es aber ins Freie, ſo läuft es ſhwankenden Ganges dem erſten beſten Baume zu, klettert an dieſem raſh in die Höhe und wählt ſfi<h im Gezweige eine ſchattige Stelle aus, um ſi dort zu verbergen, beginnt au< wohl zu ſreſſen. Wenn es von einem Aſte zu einem zweiten, entfernter ſtehenden gelangen will, hält es ſi< mit beiden Hinterfüßen und dem Schwanze feſt, ſtre>t den Körper wagere<ht vor und verſucht, mit den Vorderfüßen den ins Auge gefaßten Zweig zu ergreifen. Jn dieſer Stellung, welche eine große Kraſt erfordert, kann es minutenlang verweilen, auh mit ziemlicher Leichtigkeit ſich ſeitlich hin und her bewegen. Sobald es den Aſt mit den Vorderfüßen gefaßt hat, läßt es zuerſt die beiden Hinterfüße und ſodann den Schwanz los, ſhwingt ſi, durh das eigene Gewicht bewegt, bis unter den Zweig, faßt dieſen mit dem Schwanze und hierauf mit den Hinterbeinen und klettert nunmehr gemächlih nac oben und dann auf dem Zweige weiter. Nengger behauptet, daß es den Shwanz nur bei dem Herunterklettern benuße; dieſe Angabe iſt jedo<h, wie ih na< eigenen Beobachtungen verſichern darf, niht begründet.

Die Nahrung des Baumſtathlers beſteht hauptſählih aus Früchten, Knoſpen, Blättern und Wurzeln, welche er mit den Händen zum Maule führt. Meine Gefangenen verzehrten ſehr gern auh die Rinde junger Schößlinge, jedoch nur dann, wenn ſie ſih leßtere ſelbſt auswählen konnten. Fm Käfige fütterte ih ſie mit Möhren, Kartoffeln und Reis, auh nahmen ſie Milhbrot an. Jn Amerika ernährt man ſie mit Bananen.

Der Schilderung des Gefangenlebens will ih Azaras Beobachtungen vorausſchi>en. „Einen alt eingefangenen ließ i< in meinem Zimmer frei und ein Fahr ohne Waſſer; denn er trinkt niht. Wenn er erſchre>t wurde, lief er mit großer Leichtigkeit; doh erreichte ih ihn immer noh, wenn ih gemähli< nebenher ging. Auch wenn er laufen will, beugt er das Gelenk zwiſchen Schienbein und Knöchel nicht, gerade als ob er keinen Spielraum habe. Alle ſeine Bewegungen ſind tölpelhaft; doh klettert er mit Leichtigkeit an irgend welchem Stoke auf und nieder und klammert ſich ſo feſt, daß eine ziemliche Kraft erforderlich iſt, um ihn wegzubringen. Eine Stuhllehne, die Spiße eines ſenkreht eingerammten Pfahles genügen ihm, um ſicher zu ſ<hlafen und auh wirkli auszuruhen. Ev iſt ſtumpfſinnig und ſo ruhig oder träge, daß zuweilen 24 —48 Stunden vergehen können, ehe er ſeinen Ort verändert oder ſeine Stellung im geringſten wechſelt. Der meinige bewegte ſih nur, wenn er freſſen wollte, und dies geſchah in der Regel um 9 Uhr vormittags und 4 Uhr nahmittags. Ein einziges Mal beobachtete ih, daß er auch in der Naht umherlief; demungeachtet halte ih ihn für ein nächtliches Tier. Der meinige ſebte ſih in den erſten Tagen ſeiner Gefangenſchaft auf eine Stuhllehne, niemals auf etwas Ebenes; als er aber eines Tages am Fenſter emporgeſtiegen war und dort die Kante des Fenſterladens aufgefunden