Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

Baumſtachler: Nahrung. Frei- und Gefangenleben. DUS

hatte, ſuchte er ſpäter keinen anderen Ort. Oben auf dem Laden verbrachte er ſeine Zeit und ſaß hier, ohne die geringſte Bewegung, einer Bildſäule gleich, in einer außergewöhnlien Stellung. Er hielt ſich, ohne ſi mit der Hand oder dem Schwanze zu verſichern, einzig und allein mit den Füßen feſt, legte die Hände übereinander und zwiſchen ſie hinein ſeine Schnauze, als ob er die Hände küſſen wollte. So ſaß er, ohne ſi< zu bewegen, ja ohne umherzubli>en, bis zur Stunde ſeiner Mahlzeit. Eines Tages legte ih unter ſein Futter eine tote Ratte. Als er dieſe entde>t hatte, entſeßte er ſich derart, daß er über Hals und Kopf zu ſeinem Ruheſiße emporſtieg; das Gleiche that er, wenn ſi< einer von meinen gefangenen, frei im Zimmer umherfliegenden Vögeln ihm näherte, während er fraß. Er nahm von dem ihm vorgeſeßten Brote, Maiſe, den Maniokwurzeln, Kräutern, Blättern und Blumen außerordentlih wenig, liebte es aber, mit der verſchiedenen Koſt abzuweWhſeln. Vielmal ſah ich, daß er, die erwähnten Dinge verſ<hmähend, ſi< über dünne Holzſtengel hermate, ja ſelbſt, daß er gediegenes Wachs anging. Er biß oder kraßte nie und fügte auh niemand Schaden zu. Seine Notdurft verrichtete er während des Fraßes, und dabei achtete er nicht darauf, ob ſein Kot und Harn auf die Nahrung fiel.

„Der Geruch iſt der ausgebildetſte Sinn. J< beobachtete, wenn ih Schokolade trank oder mit Blumen in das Zimmer trat, daß mein Baumſtachler ſeine Schnauze erhob, und durfte mit Sicherheit folgern, daß er den Duft auf ziemliche Entfernungen wahrnahm. Seine Schwanzſpite iſt ſo empfindlih, daß er ſi< ſogleih aufrafft und zuſammenſchhre>t, wenn man ihn dort ganz leiſe berührt. Jm übrigen nimmt man bloß Trägheit und Dummheit an ihm wahr; man darf wohl ſagen, daß er kaum zu freſſen und zu leben verſteht. Niemals fonnte i bei ihm Freude oder Trauer und niemals Wohlbehagen bemerken. Manhmal wendete er ſein Haupt, wenn er bei ſeinem Namen genannt wurde. Für gewöhnlih ſah ex ſi< niht um, ſondern that gerade, als ob er nicht ſehen könne, und ließ ſich berühren, als ob er von Stein wäre; kam man ihm aber zu derb, ſo ſträubte er ſeine Stacheln, ohne fi< im übrigen zu bewegen. Man erzählt, daß er die Stacheln fortſhleudert, und daß dieſe, falls ſie die Haut treffen, ſi< weiter und weiter bohren, ſo gering auh die Wunden ſind, welche ſie verurſachten, bis ſie auf der entgegengeſeßten Seite wieder zum Vorſchein fommen. Auch erzählt man von ihm, daß er die Früchte der Bäume abſchüttelt und ſi< dann auf ihnen herumwälzt, ſie anſpießt und mit ſih fortträgt. Das ſind Märchen; wahr iſt bloß, daß einige ſeiner Stacheln, wenn er ſie zur Verteidigung erhebt, wegen ihrer lo>eren Einfügung in das Fell ausfallen; auh kommt es wohl vor, daß die Stacheln, welche in der Schnauze unvorſihtiger Hunde ſle>en blieben, ſpäter tiefer in das Fleiſh eingedrungen zu ſein ſcheinen, einfa< deshalb, weil die Wunde inzwiſchen geſhwollen iſt. Fm Kote des Jaguars habe ih dieſe Stacheln mehrmals gefunden.“

Jh habe dieſem Berichte des alten, gediegenen Naturforſchers wenig hinzuzufügen. Meine Beobachtungen ſtimmen weſentlih mit den ſeinigen und ebenſo mit der von Burmeiſter gegebenen Schilderung überein. Meine gefangenen Baumſtachler ſaßen während des ganzen Tages, in der angegebenen Weiſe zuſammengekauert, ruhig in ihrem Kaſten und begannen erſt na<h Sonnenuntergang langſam umherzuklettern. Wenn man ſie berührte, ließen ſie auh ihre Stimme vernehmen, ein ziemlich leiſes Quieken, welches dem Winſeln eines jungen Hundes ſehr ähnli<h war. Eine Berührung war ihnen entſchieden unangenehm, doch machten ſie, wie dies au<h Burmeiſter ſehr richtig ſagt, „niemals einen Verſuch zur Flucht, ſondern ließen den Feind ruhig herankommen, wo er auh war, du>ten ſih nieder, ſträubten die Stacheln und winſelten, wenn ſie berührt wurden“. Die von mir gepflegten Baumſtahler machten keine Verſuche, ſih aus ihrer Kiſte zu befreien, Burmeiſters Gefangener dagegen arbeitete, wenn man ſeinen Kaſten nahts mit dem Deel verſchloß, ſih ſchnell und heftig eine Offnung, indem er das Holz in großen Feßen abnagte. Auffallend erſcheint es,