Brehms Tierleben eallgemeine Kunde des Tierreichs : mit 1800 Abbildungen im Text, 9 Karten und 180 Tafein in Farbendruck und Holzschnitt 1/2

576 Siebente Ordnung: Nager; zehnte Familie: Hufpfötler.

Nach Art ſeiner Verwandten verſchläft es den Tag, in der oben angegebenen Stellung in einem Baumwipfel ſißend; na<ts läuft es langſam, aber geſchi>t im Gezweige umher. Seine Nahrung beſteht in Blättern aller Art. Das Fleiſh wird von den Eingeborenen geſchäßt, und auch die Stacheln finden vielfache Verwendung. Unter den Fndianern laufen über den Cuandu ähnliche Sagen um, wie bei uns über das Stachelſhwein. Bei manchen Fndianerſtämmen werden die Stacheln in der Heilwiſſenſchaft benußt, weil man glaubt, daß ſie wie Blutegel wirken, wenn man ſie in die Haut des Kranken einbohrt. Kappler berichtet vom Greifſtahler: „Das Tier wird leiht zahm, weiß aber niemand zu unterſcheiden und verſucht troß ſeiner ſtarken Nagezähne nie zu beißen. Es nährt ſi<h von Früchten, die es wie ein Eichhörnchen zum Maule bringt, frißt häufig, aber nie viel und iſt ein dummes, langweiliges Tier. Es hat eine eigentümliche Art zu ſißen, nämli<h niht der Quere, ſondern der Länge nah auf einem Zweige, den es mit ſeinen Hinterfüßen umklammert, oft auh mit dem Schwanze, welchen es aber meiſt hängen läßt. Die Vorderfüße hält es gegen den Kopf und bleibt in dieſer Stellung manchmal den ganzen Tag. Sein Geruch iſt ſehr fein. Eines Abends wurde mir von einem Fndianer ein großes Weibchen gebracht, das mit einem Pfeile dur< und dur geſchoſſen war, aber no< lebte. Jh ließ das arme Tier ſogleich töten und legte es unter die Galerie meines Hauſes, um es am anderen Morgen zuzurichten. Abends bei ſ<hönem Mondſchein ſah ih ein Tier um das Haus herumlaufen, das ih für eine Beutelratte hielt, und das mein Neffe mit einem Stoke totſ<hlug. Es war aber ein Greifſtahler, und wir glaubten, es ſei das getötete vielleicht bloß ſheintot geweſen, aber jenes lag noch an ſeinem Plate, und das eben erſhlagene war ein Männchen, das, obwohl der nächſte Wald wenigſtens 300 m entfernt war, doh das tote Weibchen gerochen haben mußte.“

Jh habe zwiſchen einem von mir gepflegten Cuandu und dem Baumſtachler hinſichtlih des Betragens keine weſentlihen Unterſchiede bemerken können. Stellungen und Bewegungen ſind dieſelben, und das einzige, das ih wahrnahm, iſt, daß der Cuandu nur höchſt ſelten auf den Baumzweigen ſeines Käfigs ſeine Nacht- oder rihtiger Tagruhe hält, ſondern ſi< immer auf dem ihm bereiteten Heulager niederſeßt, ja ſih förmlich in ihm verbirgt, indem er ſih unter das Heu einwühlt. Die Stimme iſt etwas ſtärker als beim Baumſtachler, der des leßteren aber ganz ähnlih. Berührungen jeder Art ſcheinen ihm fehr unangenehm zu ſein, und er läßt ſie ſi< au<h niht ſo ruhig gefallen wie ſeine Verwandten, ſondern verſucht, den ſi<h ihm Nähernden dur plögliches Vorwärtsbewegen zu ſcreen; möglich iſt, daß er dabei beabſichtigt, von ſeinem Stachelpanzer Gebrauch zu mahen. Wenn man ihn einmal am Schwanze gepa>t hat, läßt er ſi berühren, ohne ſi zu verteidigen: ſo fann man ihn auf den Arm ſegen und hin- und hertragen, ohne daß er daran denkt, na< anderer Nager Art um ſich zu beißen. Jm Zorne ſträubt er ſeine Stacheln nach allen Seiten hin und erſcheint nun faſt no< einmal ſo di>, als er wirkli iſt. Seine Färbung wird dann, weil das Gelb der Stachelmitte zur Geltung kommt, eine andere.

Als äußerliche Kennzeichen der Familie der Hufpfötler oder Ferkelhaſen (Caylidae) gelten ein mehr oder weniger geſtre>ter, auf hohen Beinen ruhender Leib, vierzehige Vorder- und drei- bis fünfzehige, mit großen, hufartigen, oben gekielten Nägeln bekleidete, nad>tſohlige Füße, ein ſtummelhafter Schwanz, mehr oder minder große Dhren und grobe Behaarung. Vier Backenzähne in jeder Reihe von ungefähr gleicher Größe und große, breite, vorn gewöhnlich weiß gefärbte Nagezähne bilden das Gebiß. Die Wirbelſäule zählt in der Regel 19 rippentragende, 4 Kreuz- und 6—10 Schwanzwirbel. Das ganze Gerippe ift kräftig, zuweilen plump gebaut.